Zwei Tage lang stand Fischer vor der Kamera seines Freundes Pepe Danquart („Am Limit“, 2007) und erzählte die Geschichte seines Lebens, ein Stück weit. „Ein Stück weit“ ist seine Lieblingswendung. Sie signalisiert den Abstand von den Dingen, seine Souveränität. So sieht sich einer, der sich nie habe vereinnahmen lassen. Und wir sollen das bewundern. 140 Minuten lang. Uns und ihm wird diese Haltung durch Setting und Drehort nahegelegt. Fischer steht die zwei Drehtage im angesagten Club Tresor, dem Ex-Heizkraftwerk in Berlin, in einer für ihn aufgebauten aufwändigen Videoinstallation. Auf Glasstellagen spiegeln sich Dokuloops, die mehr als das bekannte Material zeigen. Wir werden Zeuge, wie Performer Fischer sich überraschen lässt, den Priester seiner Kindheit wiederzusehen, dem er als Ministrant diente. Und wir entdecken eine Regung auf Fischers Zügen, die der Film als authentisch qualifiziert. Die Medien-Galerie-Ästhetik ist eine feine Sache. Im tollen Club-Design wird Fischer ein Galeriebesucher ganz wie wir, bloß das wir uns die Nase an der Schaufensterscheibe reiben oder am Monitor.
Die Dramaturgie des langen Films enthält keine Überraschungen. Eine Chronologie deutscher Zeitgeschichte, bezeugt von Joschka und Herrn Fischer. Keiner redet dazwischen, kein Kommentar, keine Nachfragen, keine Kritik. Fischer hat den Film autorisiert. Was der Film hinzutut, ist anspruchsvolle ästhetische Gestaltung. Eingemischt ist die Musik der jeweiligen Jugendkultur, die Fehlfarben etwa, und die kommen als alte Herren auch zu Wort. Hierfür hat der Film diverse Einschübe vorgesehen. Und immer wieder hat Cohn-Bendit was zu sagen.
Fischer also hat sich in die diversen Szenen stets ein Stück weit hineinbewegt, aber eigentlich überall rausgehalten. Antiatomdemos habe er nicht mitgemacht. Na ja, bei Brokdorf irgendwie, war ja eher die Stimmung für eine Latschdemo. Und mit Turnschuhen zur Vereidigung im Plenarsaal? War schon peinlich, aber Beschluss der Grünen. Und die Wiedervereinigung? Nur ein superkleines Stück rein, Europa ist das Ding. Und die Einsätze im Kosovo und in Afghanistan? Ein superlanges Stück, schon, aber Einsatz im Iran? Nein, Mr. President!! – Fischers Selbstdarstellung entspricht ganz dem Bild eines seriösen Seniorchefs, zum Beispiel der Beraterfirma Joschka Fischer & Company GmbH.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 05/2011