Sich recht ein paar Kilos drauffressen, sich mindestens so viele Kilos runterhungern, sich in der Mucki-Bude stählen, sich mal so richtig undiszipliniert gehen lassen und an einer Überdosis sterben. Nähert man sich der alljährlichen „Oscar“-Verleihung, werden den US-Schauspielern routiniert und rituell Kränze geflochten. Hollywood, schön und gut, aber sie oder er spielt ja schließlich auch noch Theater. Theater! Und so landet man schließlich bei einem Prestige-Projekt wie „Im August in Osage County“, wo dann eine erlesene Auswahl von Schauspielern wie Meryl Streep, Julia Roberts, Sam Shepard, Chris Cooper, Ewan McGregor oder Juliette Lewis einmal zeigen, wie das so aussieht: richtiges Theater. Besser noch: Theater im Kino, eine Theater-Verfilmung nach einer amtlichen Vorlage mit dem Titel „August: Osang County“, verfasst vom renommierten Dramatiker Tracy Letts („Bug“, „Killer Joe“) und selbst auch schon mit dem „Pulitzer Prize“ prämiert. Doch Vorsicht! „August: Osang County“ liest sich wie ein Pastiche aus eilends zusammengefegten Tennessee Williams- und Edward Albee-Versatzstücken. Wer hat Angst vor der Katze auf dem heißen Blechdach?
Schon der Auftakt trägt mit T.S. Eliot schön fett auf, Banalität meets Urheberrecht. Sam Shepard verabschiedet sich nach ein paar sarkastischen Sprüchen früh aus dem Film und konfrontiert den verbliebenen Rest seiner Familie mit dem, was 40 Jahre Ehehölle und etwas Mundhöhlenkrebs aus seiner von Meryl Streep gespielten Frau gemacht haben: Violet, der Zorn Gottes, geboren in harten Zeiten in den endlosen Weiten Oklahomas, wo man heute noch mit alten Hits von Eric Clapton zum Tanz bittet, obwohl Clapton doch seine besten Einfälle einem waschechten »Okie« entliehen hat.
Zur fälligen Beerdigung reist die komplette Familie Weston nebst Anhang an und es folgt eine furiose Familienaufstellung. Hier ist alles Gemeinheit, Enttäuschung, Bigotterie und Wut – vorgetragen in einer schier endlosen Abfolge von Dialogen, aufgesagt von Schauspielern, die sich darin gefallen, hier endlich einmal Mut zur Hässlichkeit zu beweisen. Allen voran Meryl Streep, das fauchende Mutter-Monster. Das ist großes Theater mit allerlei Anleihen bei der griechischen Tragödie, kulminierend in Mitleidlosigkeit, Ehebruch und Inzest. Hier wird wirklich mit der großen Kelle ausgeschenkt, hier platzen Lebenslügen gleich im Dutzend: Wie wir wurden, was wir sind. Nur als Film ist diese Verfilmung leider völlig verschenkt, weil der Film keine Bilder sucht, sondern Worten vertraut. Und so wird das aufgeführte Stück zur trivialen Daily Soap, eine Mischung aus „GZSZ“ und „Verbotene Liebe“, deren bester Satz lautet: „Und dafür haben wir nun die Indianer ausgerottet!“
Und am Schluss fährt Julia Roberts davon, Richtung Sonnenuntergang. Hätte sie in der Schule aufgepasst, als die Theaterklassiker der Familienhöllen durchgenommen wurden, wüsste sie: Du entkommst deiner Familie nicht! Immerhin hört man jetzt Merle Haggard mit anderen Ohren, wenn er singt: „We don’t smoke marijuana in Muskogee / We don’t take our trips on LSD / We don’t burn our draft cards down on Main Street / We like livin’ right, and bein’ free.“
P.S. Meryl Streep und Julia Roberts wurden übrigens für „Golden Globes“ nominiert in der Kategorie „Best Comedy and Musicals“. Haben die Götter Humor?