Die 19-jährige Taryn (Deragh Campbell) ist abgehauen. Zwei Monate ist es her, dass sie unter falschen Angaben ihr nordirisches Elternhaus verlassen hat, um statt in Wales in den USA unterzutauchen In Ocean City, Maryland besucht sie eine Freundin und jobbt im Lager eines Spielzeugladens. Am Strand dreht sich ein Riesenrad, und Taryn verlässt zornig einer Party, nachdem sie sich mit einem Jungen gestritten hat. Es sind Sommerferien, und die junge Frau mit den rotblonden Haaren und der weißen Haut ist schwanger. Taryn hat keinen Plan. Doch dann meldet sie sich unerwartet bei ihrer Tante Kim (gespielt von der Singersongwriterin Kim Taylor) in Baltimore, um ihren Besuch anzukündigen.
Diesen Auftakt zu seinem Film „I Used to Be Darker“ erzählt Matthew Porterfield, der hierzulande mit „Putty Hill“ bekannt geworden ist, völlig undramatisch. Dabei liefert sein Film eine ganze Reihe von Konflikten, die sich um zerrüttete, dysfunktionale Familien drehen und die immer weitere Kreise ziehen. Allerdings verzichtet Porterfield auf spektakuläre Szenen, die Logik konventioneller Dramaturgien und jegliche Klischees. Stattdessen erzählt er offen, einfühlsam und immer wieder überraschend von instabilen Familienbeziehungen und verunsicherten, desorientierten Jugendlichen im Spannungsfeld elterlicher Trennungskonflikte.
Kim ist nämlich gerade dabei, sich von ihrem Mann Bill (Ned Oldham) zu trennen, als Taryn unverhofft in dem großen Haus mit Pool auftauch. Mit den Worten „Willkommen in der Privathölle“ wir sie von ihrer Cousine Abby (Hannah Gross) begrüßt, die auf ihre Eltern hilflos wütend ist. Beide sind Musiker, die mehr oder weniger von früheren Träumen zehren und ihren Kummer über den schmerzlichen Ablösungsprozess, unter dem vor allem Bill leidet, in Liedern verarbeiten. Das wiederum nutzt Matt Porterfield, um mit dokumentarischem Gestus und wohltuender Ausführlichkeit Musik zu inszenieren, die von den Darstellern selbst gemacht wird.
„I Used to Be Darker“ liefert keine Lösungen für die verhandelten Konflikte. Realistisch, ruhig und genau zeigt der Film in wechselnden Perspektiven vielmehr, wie diese zusammenhängen und dass die Probleme des Lebens, so bestätigt Kim einmal tröstend gegenüber Taryn, weder aufhören noch weniger werden. Doch trotz diverser Auflösungserscheinungen im Zwischenmenschlichen vermittelt Porterfields ebenso berührender wie schöner Film ein Gefühl für Wärme und Zusammenhalt.