“Die Geschichte der Schwarzen in Amerika ist die Geschichte Amerikas – es ist keine schöne”, schreibt der fast 55-jährige, afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin im Juni 1979 in einem unvollendet gebliebenen Manuskript mit dem Titel “Remember this house”. Er verknüpft darin seine Erinnerungen an die ermordeten schwarzen Bürgerrechtler Medgar Evers, Malcolm X und Martin Luther King mit seinen eigenen schmerzhaften Erfahrungen von Unterdrückung und Diskriminierung. „Was geschieht mit diesem Land?“, fragt Baldwin, während auf der Leinwand Bilder brutaler Polizeigewalt zu sehen sind, die sich gegen demonstrierende Schwarze richtet.
Diese bewusste, auf eine gemeinsame „amerikanische Identität“ zielende Aneignung von Geschichte dient dem Filmemacher und Kosmopoliten Raoul Peck, 1953 in Haiti geboren, wiederum dazu, seine eigenen Erfahrungen darin widerzuspiegeln. In der sehr subjektiven Montage seines preisgekrönten Essayfilms „I am not your negro“ verbindet er Archivbilder, Filmausschnitte, TV-Clips und Musik ausschließlich mit Texten von James Baldwin. Wo der ebenso nachdenkliche wie leidenschaftliche Autor nicht selbst spricht, werden diese in der Originalversion von dem Schauspieler Samuel L. Jackson aus dem Off vorgetragen.
Der von Chris Marker, Alexander Kluge und Jean-Luc Godard beeinflusste Raoul Peck dekonstruiert dabei dezidiert die überlieferte Ikonographie des medialen Archivs, um jene andere, unterdrückte, tatsächlich aber parallel verlaufende Geschichte sichtbar zu machen. In mehreren Kapiteln, die zugleich den Lebensweg Baldwins nachzeichnen, verknüpft er die Bewusstwerdung der Identität als Schwarzer mit der Erfahrung von Differenz und Ausgrenzung; was auch den individuellen Zwiespalt zwischen Innen- und Außensicht einschließt. Jene andere, gewissermaßen „inoffizielle“ Geschichte resultiert aus einer Lebensrealität, die vom weißen Amerika übersehen oder aber ignoriert wird. Diese Indifferenz und „moralische Monstrosität“, die vor allem das Machtstreben der weißen Bevölkerung ausdrückt, wird schließlich mit der beunruhigenden, bislang nicht beantworteten Frage konfrontiert, welcher Platz und welche Aufgaben für die Black Community im „Land der Freien“ vorgesehen sind.
Denn Pecks historischer Exkurs zeigt in teils harten Kontrasten nicht nur eine Geschichte gewaltsamer Unterdrückung und ihr schockierendes Fortdauern bis auf den heutigen Tag, sondern auch, wie der Wohlstand eines ganzen Landes davon abhängt. Während die Schwarzen als Amerikaner zweiter Klasse ausgebeutet werden, leben die Weißen – wie diverse Filmausschnitte ironisch zeigen – in einer pastellfarbenen Kitschblase des Konsums. Doch die sich darin ausdrückende übertrieben Sorge um das „private Selbst“, so ist James Baldwin überzeugt, wirke auf die Dauer zerstörerisch.