Dass der Tod ein Scherzkeks aus Deutschland ist, will uns das deutsche Kino der letzten Jahre, mindestens seit „Knockin‘ on Heavens Door“ glauben machen, sprich: Die deutsche Filmkunst glaubt, sie bedienen zu können, die Klaviatur von 'vergnügt' bis 'verzweifelt'; doch allein schon beim Titel dieses Werkes von Marco Petry „Heiter bis wolkig“ fragt man sich, was denn der mit seinem Thema zu tun haben soll. Oder haben Sie schon mal bei der Gemütsverfassung einer Krebskranken an Attribute wie „Heiter bis wolkig“ gedacht?
Aber weil dem deutschen Tod eben sein Stachel gezogen ist, ist er auch in diesem Film eben nur eine ziemlich unangenehme Begleiterscheinung in einem ansonsten heiteren Unterfangen, welches „Leben“ genannt wird. Heiter schreitet durch die Welt, wer kopflos ist, und „Marie“ (deren Darstellerin aussieht wie eine junge Veronica Ferres mit schwarzer Perücke) ist schon mal so eine Kopflose, denn als Schwester einer an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankten Jessica Schwarz mit dem Filmnamen „Edda“ hat sie natürlich nichts Besseres zu tun, als dem an Hirntumor erkrankten „Tim“ seinen letzten Wunsch zu gewähren, nämlich eine schöne Nacht, die dann kurz vor Vollzug abgebrochen werden muss, weil ihre Schwester und Wohnungsgenossin mal wieder einen ihrer Kotzanfälle hat. Als hätte Marie nichts Besseres zu tun, als wäre ein Krebspatient nicht schon Belastung genug, nimmt sie also sich gleich einen zweiten als Onenightstand mit nach Hause, also dahin, wo es eh schon einen schwerstkranken Pflegefall gibt, so etwa wie: 'Upps, an meine todkranke Schwester, die von mir gepflegt wird, hatte ich zurzeit und im Schwange meiner amourösen Ausschweifungen gar nicht gedacht.' Aha! Ich widme diesem Detail des Films diese besondere Aufmerksamkeit, weil es nicht nur eine für diesen Film typische Unplausibilität darstellt, sondern weil Unplausibilitäten dieser Art in Filmen der Gegenwart gang und gäbe sind, und weil sie geradezu daraus zusammengebaut sind.
Dass dieser Tim übrigens gar nicht krank ist, dass das Ganze eine in der Kneipe von seinem Kumpel und ihm eingefädelte Mitleidstour ist, die „immer, auch bei den schönsten Frauen, zieht“, ist eine weitere dieser dummen Behauptungen, auf denen eine Handlung dieser Art basiert, mit anderen Worten sagt der Film: Die schönsten Frauen fallen auf die plumpesten Annäherungsversuche herein. Na sicher, das ist wirklich gut getroffen, total lebensnah und daher auch so heiter! Nebenbei weiß der Film folgerichtig auch gar nicht, was schöne Frauen sind, denn die meisten, die die beiden Jungspunde als solche bezeichnen, sind hässliche, aufgetakelte Eulen. Auch weiß der Film überhaupt nicht, was gute Musik ist, denn unablässig läuft so ein billiger, nachgespielter Neunziger-Jahre-Verschnitt, alles andere als aktuell und die Einrichtung der Wohnungen ist so etwa GZSZ. Interessant und mehrfach bemerkbar in den Wohnungen ist, dass deren Fenster zwar immer Vorhänge besitzen, diese jedoch, auch bei der Todgeweihten, nachts niemals zugezogen werden, auch wenn von draußen grelle Laternen den Schlafenden in die Gesichter scheinen.
Nicht nur interessant sondern geradezu absolut entsetzlich ist, dass sich der Pseudohirnkrebskranke bei der Echtbauchspeicheldrüsenkrebskranken, kaum dass sie ihn kennt, einfach so mal auf die Bettkante setzt, um mit ihr zu reden, und er dort stur verharrt, obwohl sie ihn dreimal deutlich dazu auffordert, zu gehen. Entsetzlich ist das nicht, weil es vielleicht solche Idioten im richtigen Leben geben mag, entsetzlich ist, dass der Film dieses rücksichtslose Verhalten würdigt, indem er es mit Erfolg, in diesem Fall mit dem Beginn einer (aus lethalen Gründen: kurzen) Freundschaft belohnt.
Quälend an diesem Film und Filmen dieser Art, ist, dass sie sich erstens nicht mehr im Geringsten um psychologisch plausible Verhaltensweisen scheren und zweitens, dass sie Rücksichtslosigkeiten bis hin zur körperlichen Gewaltanwendung als thrill und fun-haltige Alternativen zum langweiligen Leben (in diesem Fall langweiligen Sterben) propagieren. Hier ist es der (übrigens stark abgemagerten) Schwarz erlaubt, eine Schlägerei anzuzetteln, der, was haben wir gelacht, am Ende natürlich Max Riemelt alias „Tim“ zum Opfer fällt.
Also: Prügeln, Zeche Prellen, aus Rache so tun, als wäre man Selbstmordattentäter, aus Rache Ziegen das florale Innere eines Blumenladens verspeisen lassen, das sind so die Sachen, die dem Leben seine Würze geben, denn auf die wahre Lebenskunst verfällt man natürlich erst, wenn der Tod freundlicherweise vor der Tür steht. Danke Tod, danke. Und dann ist es natürlich auch total nett vom Tod, dass er erst so etwa eine gefühlte Viertelstunde vor seinem Eintritt auch Tribut fordert: Ein bisschen Blut beim Husten, dann wird nochmal ein Kranz fürs eigene Grab geflochten,und dann wird geschwächelt und man legt sich besser mal hin, bis die „Atempausen immer länger werden“ .
Muss ich noch mehr verraten? Vielleicht muss ich, aber ich habe keine Lust dazu, nur eines: Nach diesem Film hatte ich das Gefühl, irgendjemand Ekliges hätte mich anderthalb Stunden geduzt.