Der Kontrast von Licht und Dunkelheit als Zeichen der Suche nach Aufklärung bestimmt den Prolog von Margarethe von Trottas neuem Film „Hannah Arendt“: Der Lichtkegel einer Taschenlampe, die nach der Verhaftung des Kriegsverbrechers Adolf Eichmann durch den israelischen Geheimdienst Mossad auf einer Landstraße in der Nähe von Buenos Aires liegen bleibt; die aufleuchtende Flamme des Feuerzeugs, an dem sich die kettenrauchende Titelheldin ihre Zigarette anzündet; und die Lichter des nächtlichen New York, wo die jüdische Emigrantin eine neue Heimat gefunden hat und als Philosophie-Dozentin an der New School lehrt. Nach ihrer Flucht aus dem französischen Internierungslager Gurs sei ihr Amerika wie ein Paradies erschienen, sagt Hannah Arendt (Barbara Sukova) einmal zu ihren Studenten. Eine gewisse Unbeschwertheit und ein leichter Tonfall kennzeichnet dann auch die ersten Szenen des Films: Etwa die ironischen „Frauengespräche“ mit der Schriftstellerin Mary McCarthy (Janet Mc Teer), die immer wieder von der Sekretärin Lotte Köhler (Julia Jentsch) wegen eingehender Telefonate unterbrochen werden; das neckische Liebesgeflüster mit ihrem sinnlich-vitalen Ehemann Heinrich Blücher (Axel Milberg); oder auch die von angeregten Diskussionen bestimmten Hausgesellschaften des „Tribe“.
Stets steht die resolute Hannah Arendt unaufdringlich, aber nachdrücklich im Zentrum der Aufmerksamkeit dieses Portraitfilms, der titelgemäß die ganze Person meint und sich dafür auf einen Abschnitt ihres Lebens konzentriert. Dieses gewinnt dadurch eine schöne Plastizität. Als 1961 in Jerusalem der Prozess gegen Eichmann beginnt, reist Arendt als Berichterstatterin für den „New Yorker“ nach Israel. Was sie dort eindringlich beobachtet und später im gewissenhaften Studium ganzer Aktenberge von Gerichtsprotokollen analysiert, ist das eklatante Missverhältnis zwischen dem vorgeblichen Monster Eichmann im Glaskäfig, den traumatischen Zeugenaussagen der Opfer und der offensichtlichen Mittelmäßigkeit des Angeklagten. Dieser stellt sich dar als Bürokrat und gehorsamer Befehlsempfänger, als „Teilchen des Ganzen“ und als Gesetzestreuer ohne Schuld- und Verantwortungsgefühl. Nie habe er persönlich einen Juden verletzt. „Eichmann ist kein Mephisto“, sagt Arendt zu ihrem jüdischen Freund und Mentor, dem Zionisten Kurt Blumenfeld (Michael Degen), sondern „ein Gespenst mit Schnupfen“ und einer „grauenvollen Amtssprache“. Diese Unfähigkeit, sich durch Denken als kohärente, verantwortliche Person zu begreifen, kulminiert schließlich in jenem berühmt gewordenen Satz von der „Banalität des Bösen“.
Eine solche Vermenschlichung der ungeheuerlichen NS-Verbrechen, verbunden mit der tabuisierten Frage nach der Mitverantwortung der Judenräte, stößt nach der Veröffentlichung der Artikelserie „Eichmann in Jerusalem“ auf erbitterten Widerstand, offene Feindschaft und hasserfüllte Verleumdung. Margarethe von Trotta zeigt in diesen Passagen eine unbedingte Denkerin und kämpferische Frau, die sich der vorherrschenden Meinung nicht beugt, mit ihren Kontrahenten spannende Rededuelle führt und in einer ebenso mitreißenden wie bewegenden Rede vor Studenten und Professoren (von Kamerafrau Caroline Champetier und Cutterin Bettina Böhler hervorragend dynamisiert) ihre Sicht der Dinge verteidigt. Dieser unbeugsame Wille, durch leidenschaftliches Denken dem Verstehen näher zu kommen, bezieht die Regisseurin in wenigen, prägnanten Rückblenden auf Hannah Arendts Begegnung mit dem Philosophen Martin Heidegger (Klaus Pohl), der zu ihrem Lehrer und Liebhaber wird. „Denken ist ein einsames Geschäft“, doziert dieser. Es führe weder zu Wissen noch zu notwendigem Handeln. Dass Heidegger nach dem Krieg in einer Begegnung mit Arendt keine Erklärung für seine nationalsozialistische Verstrickung findet, macht diese Sätze so brisant. Denn der dunkle Schatten des Mitläufertums legt sich damit von der anderen Seite her eben auch auf den denkenden Menschen.