Da steht sie und weiß erst mal nicht weiter. Als Merle (Anne Ratte-Polle) am schicken Südfrankreich-Haus ihres neuen Freundes Romuald ankommt, ist dieser nicht da und glänzt auch im weiteren Verlauf des Filmes vor allem durch Abwesenheit. Stattdessen muss sich Merle mit Romualds Kindern Emma und Felix arrangieren, die ihrer Pubertät freien Lauf lassen, was im Falle von 'Halbschatten' dann doch nicht so frei ist, denn im engen Korsett aus beklemmend objektiver Kameraführung und verkrampft aufgeladenen Dialogen und Handlungen bewegt sich der Film recht steif durch die Minuten seiner Dauer.
Damit wären zwei zentrale Motive des Filmes auch schon umrissen: Abwesenheit und das ausgestellte Warten auf deren Ende quälen alle Figuren im Film. Es geht um Aufmerksamkeit, darum, im Scheinwerferlicht einer gesunden (familiären) Beziehung zu stehen und den Halbschatten zu verlassen. Doch diesen Gefallen tut der Regisseur seinen Figuren nicht, die er in eine Dreiecksbeziehung ständiger, ambivalenter Anziehung und Abstoßung setzt, was in einer Szene kulminiert, in der Merle eine falsche (aber äußerlich gleiche) Geburtstagstorte für Emma kauft, sich darüber ausschweigt und abwartet, ob Emma den Betrug wittert. Überhaupt wirkt Merle in ihrem Hang zur Boshaftigkeit manchmal wie eine erwachsene Ausgabe Emmas. Was die Abwesenheit der Eltern nicht alles für gestörtes Personal hervorbringt.
Weil sich das mit dem Dastehen und Nicht-Weiterwissen für Merle kaum bessert, fasst sie am Ende den Entschluss, das Haus zu verlassen und lässt selbst den gerade doch noch angekommenen Romuald nichts davon wissen. Der wird sich schön wundern, wenn er merkt, dass wieder einer fehlt. In antonionischer Manier gibt es zu guter Letzt noch entleertes Bildmaterial zu sehen – Merle hat sich selbst aus dem Film geschlichen. Und wie bei Antonioni wird dem Film so ein Ende verweigert. Die von Beginn an unterkühlte Narration friert einfach ein.
'Die Geschichte wird sehr einfach sein', sagt Merle an einer Stelle im Film über ihre Arbeit an einem Roman, Probleme werde es aus anderer Richtung geben. Da sage noch einer, Wackerbarth könne bei allem manierierten Ernst nicht mit den Augen zwinkern.
Trotzdem. Vor zehn Jahren vielleicht noch stilbildend, umweht 'Halbschatten' dann doch so etwas wie ein sanfter Anachronismus. Ein Film, der sich der filmischen Mittel der Berliner Schule noch einmal vergewissert, aber ähnlich seiner Hauptfigur mit dem Aufbruch in neue Gefilde hadert und sich am Ende ein wenig tot läuft.
Dieser Text ist zuerst anlässlich der Berlinale 2013 in der filmgazette erschienen.