Das Frauenbild, das der japanische Kult-Regisseur Sion Sono in seinem Film „Guilty of romance“, dem dritten Teil seiner sogenannten „Hass-Trilogie“, genüsslich ausbreitet, ist schlicht konservativ und misogyn. Unter dem Deckmantel weiblicher Identitätssuche mittels sexueller Befreiung zelebriert er eine perverse Lust an der Grenzüberschreitung, um die Hure in der Frau zu entdecken. „Frauen sind rätselhaft“; und: „Bei Frauen ist alles möglich“, lauten orakelhaft jene Sätze mit denen Sion Sono in einer Mischung aus Faszination und Angst auf das von ihm unterstellte Potential weiblicher Selbstentgrenzung und Lussteigerung blickt. Eine typische, mythologisch gut geerdete Männerphantasie also, die sich filmisch einerseits in einem lustvollen, delirierenden Fiebertraum entlädt. Andererseits gilt es natürlich, diese gewaltige, dunkle und chaotische weibliche Kraft zu bannen oder zumindest zu domestizieren.
Sion Sono selbst sieht seine Hassliebe zum weiblichen Geschlecht natürlich ausgewogener: „Ich bin ein feministischer und ein grausamer Filmemacher.“ In stilisierten Bildern und grellen Farben, in exaltierten Stimmungen und kalkuliert vulgären Zuspitzungen, in denen sich Hoch- und Populärkultur vermischen, schickt er seine stereotyp gezeichneten Heldinnen durch fünf Kapitel, die zeitlich ineinander verschachtelt sind. Dabei amalgamiert Sion Sono niedere Instinkte und hohe Kunst zu einem wilden Mix aus Thriller, Sexploitation und Autorenfilm, motivisch-raunend flankiert von Franz Kafkas „Das Schloss“ und Gustav Mahlers beliebter 5. Sinfonie.
„Niemand hat je den Eingang zum Schloss gesehen“, heißt es deshalb einmal in Bezug auf die weniger verschlüsselte (sexuelle) Identitätssuche der drei Frauen, die alle ein Doppelleben führen. Liebe und Untreue werden dabei in ein „naturgegebenes“ Verhältnis gesetzt: Während die überangepasste, unterwürfige Hausfrau und Schriftsteller-Gattin Izumi Kikuchi aus ihrer hellen, ruhigen Ordnung ins „Unreine“ dunkler Love Hotels ausbricht und dabei ihr wahres Wesen entdeckt, folgt die Universitätsdozentin Mitsuko Ozawa als Teilzeit-Prostituierte ihrer eigentlichen Bestimmung, und zwar dorthin, wo die „Finsternis dunkler als der Schatten“ ist. Ihr poetischer Leitstern ist dabei das Gedicht „Heimkehr“ von Ryūichi Tamura, das die Welt der Worte gegen die Evidenz sinnlicher Erfahrungen stellt. Ein Ritualmord im Rotlicht-Milieu, den die Kommissarin Kazuko Yoshida ermittelt, integriert schließlich die dritte Frauenfigur, deren sexuelle Entgrenzung am deutlichsten mit einer Sehnsucht nach Unterwerfung und Tod assoziiert ist. Und so schickt Sion Sono seine Protagonistinnen auf eine (zweieinhalbstündige) Tour de Force durch jenen Abgrund aus Lust und Schmerz, Demütigung und Strafe, an dem angeblich die lebensspendende Kraft des Weiblichen beheimatet ist.