Gerahmt wird der Film „Gainsbourg“ von zwei bekenntnishaften Leitsätzen seines Regisseurs Joann Sfar, der in Frankreich ein bekannter Comic-Autor ist. „Gainsbourg übertrifft die Realität. Seine Lügen sind mir wichtiger als seine Wahrheiten“, heißt es zu Beginn des Abspanns, was wie eine nachgeschobene Rechtfertigung des ästhetischen Verfahrens anmutet. Doch schon am Anfang des Films erklärt Sfar, im Folgenden „eine Geschichte“ (un conte) zu erzählen, also vielleicht sogar ein Märchen. Und wie zur Bekräftigung seines filmischen Konzepts lässt er gleich im gezeichneten Vorspann seinen Titelhelden mit rauchenden Fischen durchs Meer tauchen, nur um ihn später im Pariser Nachtleben wieder auftauchen zu lassen. Bald darauf gesellt sich ein animiertes Über-Ich an seine Seite, das als „Große Fresse“ apostrophiert wird und ihn in schwierigen Entscheidungen antreibt. Joann Sfars sehr subjektives Biopic über den berühmten Chansonnier und Bohemien entfaltet sich zwischen Phantasie und Wirklichkeit, in überladenen Dekors und im künstlichen Spiel mit Zitaten.
Das bewirkt eine gewisse Distanz und Abstraktion, die in Spannung gesetzt ist zu Serge Gainsbourgs amouröser Biographie. Diese spannt einen Bilderbogen der Liebe, auf dessen Seiten so prominente Künstlerinnen wie Juliette Gréco, Brigitte Bardot und Jane Birkin auftreten, die den sensiblen Charmeur, der die Malerei zugunsten der Musik aufgibt, zur Kunst verführen. Als Musen inspirieren sie seine Lieder, als Liebhaberinnen stillen sie seine übergroße Liebesbedürftigkeit. Diese zieht sich leitmotivisch durch den Film und grundiert bereits Lucien Ginsburgs jüdische Kindheit in Paris während der deutschen Okkupation. Verstärkt wird seine Verletzlichkeit durch sein Aussehen und durch häuslichen Ärger, den er jedoch mit offenem Widerstand gegenüber dem Vater pariert. Selbstbewusst und mit einem Anflug von Genialität reift der kettenrauchende, zudem trinkende Gainsbourg zum kalkulierten Provokateur, zum großen Frauenverführer und schließlich zur tragischen Figur.
Deren wiederholte Fluchten vor sich selbst und vor der ersehnten Liebe führen immer wieder zu selbstzerstörerischen Abstürzen, die letztlich ungreifbar bleiben. So erscheint Gainsbourg als eine Art Treibgut der Liebe, das ohne Richtung und Ziel an unmarkierten Stellen strandet. „Das Leben ist ein Zufall, der den Bestimmungen zuwider läuft“, sagt der Sänger-Poet einmal im Film. Joann Sfar hat diese Maxime seiner ersten Regie-Arbeit anverwandelt.