Wenn der junge Jon Burroughs (Domhnall Gleeson) zu Beginn von Leonard Abrahamsons Film „Frank“ durch die aufgeräumten Straßen seiner kleinen Heimatstadt irgendwo an der englischen Küste flaniert, ist alles so langweilig wie immer: Die Wellen des nahen Meeres kommen und gehen, die Nachbarn grüßen mit höflichem Lächeln aus ihren Vorgärten und in der freundlichen Atmosphäre des elterlichen Domizils sind die Dinge des Lebens geordnet. Der hübsche Rotschopf mit der sicheren Arbeitsstelle leidet unter der Mittelmäßigkeit der Verhältnisse und ist doch ein Teil von ihnen; er träumt sich hinaus in eine Karriere als Popmusiker, doch der innere Leidensdruck und die Inspiration sind nicht stark genug, um sich in Kunst verwandeln zu lassen. Wenn Jon nach seinem Spaziergang versucht, seine alltäglichen Beobachtungen relativ belangloser Ereignisse in einem Song auszudrücken, wird daraus nur eine kitschige Verdoppelung der Wirklichkeit. Die jugendliche Ambition überwiegt bei ihm das musikalische Talent. Jon, der seine Probleme und Hoffnungen online kommuniziert bzw. mit seinen Followern teilt, lebt im Zustand des Wünschens, ohne sich selbst genügend zu kennen. Fast scheint es, als träume er von einem Erfolg, den er sich selbst nicht richtig zutraut.
Da bricht unerwartet der Zufall in sein Leben ein: Als für den örtlichen Gig der experimentellen Artrockband „The Soromprfbs“ der Keyboarder nach einem Selbstmordversuch ausfällt, wird Jon von dem ziemlich schrägen, psychisch labilen Bandmitglied Don (Scoot McNairy) engagiert und kurz darauf fast schon unfreiwillig Mitglied der Gruppe. Im Mittelpunkt der unkonventionellen, gegen den kommerziellen Mainstream operierenden Formation steht Mastermind Frank (Michael Fassbender), der kryptisch-dadaistische Nonsens-Texte deklamiert und permanent einen überdimensionierten Kopf aus Pappmaché trägt. Unter dieser Comic-Maske, die zahlreiche Spekulationen befördert und schließlich auch als Schutz fungiert, versteckt der ziemlich unberechenbare Frank einen Teil seiner Identität. Das erinnert an die künstlerische Attitüde des Gitarrenvirtuosen Buckethead, hat sein Vorbild allerdings in der vom englischen Komiker und Musiker Chris Sievey (1955 – 2010) kreierten Kunstfigur des Frank Sidebottom, auf den sich die Drehbuchautoren des Films Jon Ronson (der eine Zeitlang Keyboarder in Sidebottoms Band war) und Peter Straughan beziehen. Franks geheimes, ebenso geniales wie psychisch gestörtes Wesen, das die Phantasien beflügelt und durch seine Verletzlichkeit zudem eine gewisse Schutzbedürftigkeit ausdrückt, wird vor allem für den noch unsicheren Jon zur Projektionsfläche seiner Erfolgsträume.
Darüber gerät er hauptsächlich mit der düsteren, Theremin und Synthesizer spielenden Clara (Maggie Gyllenhaal) in Konflikt, die den um Ausgleich bemühten Frank eifersüchtig liebt und bewundert und die ihn von allem Kommerz fernhalten will. Bei den ausgedehnten, monatelangen Proben in einer von Wald umgebenen irischen Ferienhütte an einem Ort namens Vetno spitzen sich die Spannungen innerhalb der Band und um Frank schließlich zu. Das klaustrophobische Zusammensein führt zwar zu kreativen Eruptionen, aber auch zu persönlichen Verwerfungen und Zusammenbrüchen. Zwar wirkt Frank mit seiner Offenheit und Toleranz einerseits integrierend; andererseits kaschiert er mit seiner Maske traumatische Erfahrungen, für die seine Kunst zum Ventil wird. Als die Soronprfbs schließlich vom South by Southwest-Festival in Austin/Texas eingeladen werden, sind die persönlichen und musikalischen Auflösungstendenzen im Spannungsfeld zwischen Kunst und Kommerz nicht mehr zu bändigen.
Leonard Abrahamsons ebenso skurrile wie melancholische, witzige wie nachdenkliche Außenseiterkomödie „Frank“ ist aber nicht nur ein schräger, in Teilen merkwürdig abseitiger Film über die dunklen Energien und bizarren Erfahrungen, die das Leben jenseits kommerzieller Erwägungen in Kunst verwandeln. Sondern daneben erzählt der irische Regisseur in verschiedenen Tonlagen und Stimmungen vor allem von der Suche eines jungen Mannes nach sich selbst, von Verletzungen und vom Scheitern, von Trennungen und Zusammenführungen. Dabei spielt die Musik eine wichtige Rolle. Komponiert von Stephen Rennicks, wurde diese übrigens von den Schauspielern selbst auf dem Set live eingespielt.