Alles Folgende ist reine Fiktion, lautet verkürzt der erste Satz in Pedro Almodóvars neuem Film „Fliegende Liebende“ („Los amantes pasajeros“), bevor der fantasievoll gezeichnete Vorspann eine ironisch-verspielte Bekräftigung dazu liefert. Schrill und bunt, schräg und ein wenig verdreht, vor allem aber erotisch und queer ist der Mikrokosmos, den der spanische Meisterregisseur in seiner Komödie entfaltet. Ein Flugzeug der Fluggesellschaft „Península“ dient ihm dabei als Theaterbühne, auf der ein illustres Figurenensemble lustvoll und provozierend tabulos agiert. Schließlich geht es in „Fliegende Liebende“ vor allem darum, unter den vertrauenserweckenden Wirkungen von Alkohol und Drogen unbequeme Wahrheiten auszusprechen.
Deren gravierende erste lautet, kaum ist der Airbus 340 in der Luft und die Funktion der Schwimmwesten erklärt: Ein Fahrwerk funktioniert nicht. Also kreist die Maschine, die eigentlich nach Mexiko fliegen soll, über Toledo, während ihre ratlosen Piloten auf eine Genehmigung zur Notlandung warten. Um Panik unter den Passagieren zu vermeiden, wird die Touristenklasse kurzerhand mit Beruhigungsmitteln in Schlaf versetzt. Nur in der Business-Class regen sich Sorgen, die bald von Bekenntnissen und Exzessen abgelöst werden: Eine Hellseherin, die die tödliche Gefahr förmlich riecht, will ihre Jungfräulichkeit verlieren; ein betrügerischer Geschäftsmann und ein untreuer Frauenheld sind auf der Flucht, während ein junges Ehepaar in die Flitterwochen fliegt; und schließlich verheddern sich ein Bolaño lesender Auftragskiller und sein charmantes Opfer auch noch im gemeinsamen Liebesspiel.
Befeuert werden diese nicht zuletzt sexuellen Eskapaden von einem stimulierenden Cocktail, der wiederum von einem schwulen Flugbegleiter-Trio gemixt und verabreicht wird. Mit reichlich Alkohol und köstlichen Travestien, aus denen eine Tanzeinlage zum Song „I’m so excited“ von den Pointer Sisters herausragt, beflügeln die drei förmlich diese grenzwertige Flugreise, der das Ziel abhanden gekommen ist. Bei Almodóvar sind sie die ins Tuntige überzeichneten Zeremonienmeister, die mit ihrer Kunst den Flug in der Schwebe halten, die gebeutelten Passagiere mit ihren Lebensdramen versöhnen und schließlich für eine sanfte Bruchlandung sorgen.