Ein Mann kommt in eine Berliner Wäscherei und gibt Kleidung zur Reinigung. Stück für Stück zieht er seinen grauen Mantel und Anzug aus, steht zuletzt in der Unterwäsche mitten im Laden, zappelt geziert herum – und fragt die leicht irritierte Wäschereifrau, ob sie nicht vielleicht eine 'Ersatzuniform' für ihn habe! Muss man sich vorstellen! Aber nicht anschauen.
Der Mann sieht aus wie Hitler. Ja, genau der. Kanzler ’33 bis ’45 (ab ’34 auch Staatsoberhaupt). Laut Plot von 'Er ist wieder da', David Wnendts Adaption von Timur Vermes‘ Erfolgsroman, ist er es auch. Einfach so, ohne Grund und ohne Staat, im Park eines gegenwärtigen Sozialbaus aufgewacht, torkelt er durchs deutsche Heute, dessen Volk und Medienlandschaft. Zuerst versteht er die Welt nicht mehr, wie ein Zeitreisender vom Typ 'Sleeper' halt; oder wie der von 1943 ins Mittachtziger-München versetzte Stalingrad-Wehrmachtsheld in Herbert Achternbuschs 'Heilt Hitler' (1985), der durch die gänzlich unbeflaggte Stadt geht und sinniert, ob der Nationalsozialismus mittlerweile so erfolgreich sei, dass er öffentlicher Anzeichen nicht mehr bedarf. Eine ähnlich luzide, weitreichende Einsicht entwischt dem 'Er ist wieder da'-Hitler nur einmal, als er, in einer Montagesequenz, in der er News-Bilder gegenwärtiger Politik kommentiert, sich mokiert, neben all den schauspielernden Imitatoren seiner Person gebe es heute auch eine Partei, die bloß 'eine billige Kopie des Nationalsozialismus' sei; im Bild dazu eine Veranstaltung der CSU.
In der Folge hält man ihn (gespielt mit viel R von Oliver Masucci) für einen weiteren Imitator seiner selbst; also wird er als Politkontroversclown zum Star im trashigen Privat-TV- und auf YouTube. Es setzt Kulturverfalls- und Karrierismusbashing im zu erwartenden Ausmaß, dazu Cameos von Fernsehshowprofis wie den 'Circus Halligalli'-Buben und dem Plasberg-Buben, bei denen Hitler zu Gast ist und rumschimpft. Fabian Busch, Katja Riemann und Christoph Maria Herbst spielen mit; der Ösi in mir erkennt den emsigen Michael Ostrowski am Cast-Rand. (Er hält der Riemann einen anklagenden Monolog mit so wenig steirischem Dialekt wie als charmant empfunden wird.) Gäbe es was zu lachen, sollte es wohl im Hals steckenbleiben. 'Schtonk!' ist ein Film aus den Neunzigern.
Der Überschmäh von 'Er ist wieder da' sind allerdings Szenen wie die in der Wäscherei, mehr so auf Doku. Ein Benimmcoach, eine Würstchenbudenfrau, Touristen, Fußballfans, NPD-Leute und andere schütten ihre Herzen aus vor dem freundlichen Mann, der sich in Uniform als er selbst präsentiert und Einschlägiges sagt, von Arbeitslager bis starker Mann, und ihnen damit hier eine beipflichtende Schimpftirade, dort ein Lächeln, auch mal Hoffnungsbekundungen oder zumindest Selfie-Reflexe entlockt. Ein Uniformierter unter Uninformierten, juhu! Die Leute geben sich also vor gänzlich unversteckter Führerbegleitkamera so blöd, provozierbar oder rassistisch wie nötig, um Projektionsflächen für prolophobe Konstrukte umkehrschlüssiger Selbstfeier zu bieten: Ein kulturelles Wir, das die als so rechts vorführen kann, das muss wohl die gesunde Mitte sein, immun gegen alle Unrechtspolitik, gänzlich unbeteiligt an institutioneller Entrechtung von Leuten ohne EU-Pass oder Geld.
Der jugoslawische Essayfilmer Zelimir Zilnik hat 1994 in 'Tito zum zweiten Mal unter den Serben' uniformierte Herrscherwiedergänger-Straßensituationen brisanter entfaltet; vor allem hat er Konfrontationen in den ihnen gemäßen Eigendynamiken, in ihren prekären Räum- und Zeitlichkeiten beobachtet – anstatt wie dieser Film (um ein kulturjournalistisch dankbar aufgreifbares Alleinstellungsmerkmal zu pitchen) Sager abzusammeln und zu ironischer Begleitmusik zu clipschnipseln. 'Er ist wieder da' sieht in seinen Kernbestandsmomenten aus wie sein eigener Trailer und kann so direkt ins Fernseh-Fauteuilleton übernommen werden. Hier vier Zehntelsekunden Hitler beim Schützenverein, da Hitler im Blasmusikgruppenfoto – wollen wir mal nicht so sein, Kino ist geduldig: dreißig Kader locker! Sekunden lang die Begegnung mit einem kostümierten Straßenkünstler vor dem Brandenburger Tor. Und wenn die Konfrontation nicht genug Spaß hergibt oder zu Hitler an sich nicht genug einfällt (dass er offenbar Antisemit war, hebt sich der Film bis zur Augenöffnungsdramapointe mit der Holocaust-Überlebenden-Omi auf), dann kann Besagter ja in einer der diversen am Set und mit Darstellern gedrehten Begegnungen z.B. NDP-Funktionäre als unfähig zusammenscheißen (ganz der cholerische Chef im Büro wie bei Ganz) oder sich in einer Wäscherei ausziehen. Als DVD-Bonustracks dann: Hitler beim versonnenen Nasenbohren in der U-Bahn, Hitler beim Slacklining, Hitler in Sandalen – und mit Socken dazu, erwischt!
Zilniks Film kennt niemand mehr, detto offenbar die Ressentimententlockungsetüden eines Ali G, Borat und Brüno. (Ich weiß schon, der war immer derselbe.) Hitler scheinen viele zu kennen, zumindest liegt kein Bildmaterial vor, in dem PassantInnen ihn z.B. mit, wasweißich, Heydrich verwechseln, wegen der ähnlichen Cap. Was wenn ein Film den wiedererweckten Göring durch Berlin schicken täte? Der würde sicher mit Bormann verwechselt (und jedes Selfie mit falscher Beschriftung gepostet). So wie der sich um jedes Amt bewerbende aktuelle Über-Kandidat der völkischen FPÖ, H.C. Strache, in einer der Doku-Montagen von 'Er ist wieder da' mit seinem Vorgänger Jörg Haider durcheinandergebracht wird.
Was also ist mit alledem entlarvt, dokumentiert, bewiesen? Dass Promiklischees ankommen, wenn man sie (wie hier) ausgiebig melkt. Und dass Demokratie, so die Promo-Pädagogik zum Film, ein 'fragiles Gut' ist. Wie eine Vase im Regal oder ähnlich kostbare Leitkulturstücke.