Zwischen Traum und Realität changiert Peter Luisis ebenso phantastische wie skurrile Komödie „Ein Sommersandtraum“. Gleich zu Beginn des doppeldeutigen, anspielungsreichen Films, wenn in Großaufnahme und Zeitlupe der Inhalt von einer Tasse Kaffee in das gequälte Gesicht des Protagonisten Benno (Fabian Krüger) klatscht, findet diesbezüglich eine Art Übertragung statt. Denn im Gegenschnitt zu diesem Traumbild, das an einer späteren Stelle des Films als reale Handlung wiederkehrt, erreicht Benno mit seiner Freundin Patrizia (Florine Elena Deplazes) gerade lustvoll „seinen“ sexuellen Höhepunkt. „Ich liebe dich“, heuchelt daraufhin der Egoist, dessen innerer Konflikt bereits in dieser kurzen Montage konzentriert vorweggenommen ist.
Benno ist nämlich durchaus kein angenehmer Zeitgenosse. Einerseits pflegt er als Ästhet und penibler Philatelist ein geregeltes, von wiederkehrenden Ritualen und schönen Dingen bestimmtes Leben; andererseits gibt er sich misanthropisch, indem er Kunden übervorteilt, Freunde kritisiert und selbst vor flegelhaftem Benehmen und üblen Beleidigungen nicht zurückschreckt. Der kultivierte Menschenfeind mit dem geschmackvollen Äußeren befindet sich nämlich in einem Dauerclinch mit Sandra (Frölein Da Capo), die die unter Bennos Wohnung gelegene „ARTige BAR“ betreibt und dort zu nächtlicher Stunde mit diversen Instrumenten und einem Loopgerät als „Einfrauorchester“ probt. Benno fühlt sich in seiner Nachtruhe gestört („Ohren müssen nachts atmen.“) und beschimpft die passionierte Musikerin in rüpelhaftem Ton als „talentfrei bis zum Arsch runter“.
Dabei ist die Musik ein Traum, den beide träumen und der den Beethoven-Fan und die Tangospielerin verbindet. Doch während Bennos erträumten Auftritte als Dirigent in Dissonanzen untergehen, verliert er im wirklichen Leben auf zunächst unerklärliche Weise Sand und damit auch Gewicht. Bald ist das merkwürdige Phänomen, das weder ein Arzt noch ein Therapeut („eine interessante Metapher“) erklären können, nicht mehr zu verheimlichen. Benno nimmt immer mehr ab und scheint proportional zu den wachsenden Sandmassen regelrecht zu verschwinden. Dabei wird immer deutlicher, dass der Sand nicht nur seine verdrängen Gefühle zu Sandra verschlüsselt, sondern auch Ausdruck seiner notorischen Unehrlichkeit ist. Zudem entdeckt Benno, dass der Sand sich als wirksame Waffe und Träume produzierende Droge einsetzen lässt: „Wenn man an ihm riecht, schläft man ein.“
Nicht umsonst lautet der Schweizer Originaltitel von Peter Luisis Film „Der Sandmann“. Doch geht es dem Regisseur in seinem „modernen Märchen“ nach eigener Aussage mehr um das Spiel mit Erwartungen als um gezielte Referenzen und im Weiteren vor allem „um die Diskrepanz zwischen dem, was jeder Mensch sein könnte und dem, was er tatsächlich ist.“ „Die Antwort liegt im Traum“, sagt der von Benno konsultierte TV-Wahrsager Dimitri (Michel Gammenthaler). Tatsächlich ist der Sand als Symptom einer Störung, die immer wieder in absurde Situationen führt, zugleich das therapeutische Mittel, das im Traum eine Selbstkonfrontation ermöglicht und darüber hinaus eine (auch physische) Rückkehr ins wahre Leben und zur wahren Liebe.