Jugendlicher Hedonismus wird im Kino oft entweder eindimensional glorifiziert oder mittels eines vermeintlich lehrreichen »bösen Endes« dämonisiert. Vor allem die väterlichen Intentionen der bestrafenden Erzählstrategie sind meist mehr als dubios – frei nach dem Motto: Kinder, der Spaß ist vorbei, willkommen in der »echten« Welt! 'Eden', der vierte Film der dänischen Regisseurin Mia Hansen-Løve, wählt narrativ wie inszenatorisch einen anderen Weg.
Zunächst einmal räumt die Regisseurin ihrer fiktionalisierten Nacherzählung des Aufstiegs der French Touch genannten House-Musik-Spielart mit über zwei Stunden Laufzeit einen beinahe epischen Rahmen ein. Dadurch kommt es zu einer wohltuenden Entspannung des Plots; oft hat man das Gefühl, die verschiedenen Protagonisten unabhängig vom Erzählbogen des Films in ganz alltäglichen Situationen zu beobachten. Das führt aber nicht zu Langeweile, sondern zu einer Vertrautheit, die ein moralisches Aburteilen ihrer Entscheidungen unmöglich macht. Zudem gelingt Hansen-Løve so der diffizile Spagat zwischen Szeneporträt und figurengebundener Story: Ihr Protagonist ist zwar eindeutig der DJ und Partyveranstalter Paul, ebenso aber erhalten wir einen Panoramablick in die musikalische Jugendkultur im Paris der neunziger und nuller Jahre, in der sich aus House, Techno und Garage eine eigene Variante elektronischer Musik herausgebildet hat.
Neben der akribischen, detailverliebten Ausstattung der illegalen Partys, der Clubs und WG-Wohnzimmer sowie einer auch für szenefremde Zuschauer anregenden Musikauswahl überzeugt vor allem Hansen-Løves Fingerspitzengefühl bei der Kreation des Tonfalls. Denn sicher wäre es einfach gewesen, den raketenhaften Aufstieg des Subgenres als Triumphzug zu inszenieren – 'Eden' deutet das nur an, anhand der Karriere der Szenegewächse und heutigen Superstars Daft Punk. Der Film aber bleibt bei Paul und seinen Freunden, an denen die sorglose Jugend langsam vorbeizieht, ohne dass sie auch nur minimalen finanziellen Erfolg haben. Der elektrisierenden Aufbruchstimmung haben sie alles geopfert, nun müssen sie zusehen, wie der Popmainstream »ihre« Musik langsam vereinnahmt. Das ist traurig, aber 'Eden' ist kein bitterer Film. Er erzählt zwar von der Unmöglichkeit, Jugend zu konservieren, aber auch von dem Rausch, dieses Unmögliche anzustreben.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 5/2015
Hier gibt es eine weitere Kritik zu 'Eden'.