Stefan Krohmer und Daniel Nocke (Buch), die Autoren des Doku-Dramas, geboren 1971 und 1968, fragen sich, wie das damals eigentlich war. Das heißt, sie fragen Leute, die uns das sagen. Was bleibt, sind Köpfe, die reden und deuten und reden und deuten. Die Krone setzt dem der Chefdeuter Wolfgang Kraushaar auf. Stets spielt ein überlegenes Lächeln um seine Lippen, und er weiß, wozu Dutschke „prädestiniert“ war: seine Rolle bei den Grünen zu spielen. Leider kam der Tod dazwischen. Und mir zuckte die Faust, mit der Deutervisage Kraushaar was „Actionartiges“ (Kraushaar) zu machen.
Das Dokumentarische des Doku-Dramas also sind aktuelle Stellungnahmen, gern auch Smalltalk, kaum historisches Material der Endsechziger/Anfangsiebziger-Jahre, und selbst diese Aufnahmen (Empfang des Schahs, Kurras erschießt Ohnesorg, die Bildzeitung hetzt zur Bürgerjustiz) sind zu Dekor entwertet, verschnipselt und mit einer schmissigen Musik überzogen. Wer das gemacht hat, gehört …, – auwei, ich vergaß: der Unterhaltungswert! Gesendet wird zur Primetime!
Auch nicht zu vergessen: es wird ja allerlei nachgespielt. Das funktioniert sogar in Maßen, merkwürdigerweise vor allem in den Nebenrollen. Drei Sätze von einem SDSler, der ob der „Alleingänge“ von Dutschke unmutig ist (Michael Kranz), und schon wird die Spaltung präsent, die dann doch die Einheit der „Bewegung“ (Dutschke) bedrohen sollte. – Anderes Beispiel. Fabian Hinrichs (Peter Schneider) hat den gewissen neutralen Blick, und der genügt uns zu wissen, dass Dutschke auf den Falschen setzt.
Die Autoren („Sie haben Knut“) verstehen ihr Handwerk, souverän sogar, wenn sie zu unserem Amüsement die Interviewten fragen, wie sie den Film machen würden – und Antworten kriegen. Und abgesichert haben sie sich sowieso, indem sie Gretchen Dutschke befragten und ihre Biografie („Wir hatten ein barbarisches, schönes Leben“) zu Grunde legten. Aber grade das ist das Problem. Der „Dutschke“-Film ist hoffnungslos – oder soll ich sagen: ehrlich naiv – personalisiert. Der Held (Christoph Bach) beim Abwasch, beim Windeln. Liebevoll kriecht er nach getaner Politaktion zu Frau (Emily Cox. Ihr glaubt man alles) und Kind in die Federn. Zärtlich bettet er den Kleinen am helllichten Tag im Kinderwagen auf die Dynamitstangen, die Genosse Feltrinelli nach Berlin gebracht hatte. Aber anders, als von ihm gedacht, wird das Gefahrengut von Familie Dutschke im Landwehrkanal entsorgt, – weiß Gretchen. Inzwischen hat der alte Gaston Salvatore, wie wir sehen, beim Interview die dritte Rotweinflasche geleert. Der Filmschnitt bringts, dass er sich mit Bernd Rabehl kabbelt. Toller Auftritt im, – ja, wie nenn ich das, – im neuen ZDF-Format: Dutschke-Magazin.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 04/2010