Text und Bild, gesprochenes Wort und Schauspiel bilden in Julian Roman Pölslers werktreuer Adaption von Marlen Haushofers 1963 erschienenem Roman „Die Wand“ eine starke Einheit. Die sachliche Gedankenprosa der namenlosen Ich-Erzählerin, die sich schreibend eines Berichtszeitraums von zwei Jahren erinnert, und die reduzierte, wenig dramatische äußere Handlung, in deren Mittelpunkt die existentielle Einsamkeit einer Frau steht, legen eine solche gleichwertige Behandlung auch nahe. Haushofers gewichtiger innerer Monolog über einen katastrophalen Ausnahmezustand und das Geworfen-Sein des Menschen verlangt förmlich nach einer solchen Präsenz. Und Pölsler findet dazu Bilder, die nicht nur illustrieren, sondern teils visionäre Kraft besitzen. Immer wieder evozieren sie das Surreale und Unheimliche, das als Ungreifbares der Natur und ihrer verschlossenen Ordnung entwächst und über der apokalyptischen und zugleich sehr realen Sciencefiction-Szenerie schwebt.
Das Schreiben der Ich-Erzählerin (Martina Gedeck), vergegenwärtigt durch ihre nüchtern-melancholische Stimme aus dem Off, strukturiert den Film, indem es Rückblenden in die erzählte Vergangenheit auslöst. Zugleich ist es selbstvergewissernde Zwiesprache gegen die Angst, Existenzbeweis und der Versuch, das Menschliche des Menschen zu bewahren. „Ich schreibe nicht aus Freude am Schreiben; es hat sich eben so für mich ergeben, dass ich schreiben muss, wenn ich nicht den Verstand verlieren will“, heißt es gleich zu Beginn. Dann schließen die Buchstaben des Filmtitels „Die Wand“ die handschriftlichen Aufzeichnungen der Ich-Erzählerin ein. Kurz darauf wird die Gefangenschaft der Protagonistin zum alptraumhaften Thema. Während eines Ausflugs in die Berge, wo sie zusammen mit einem befreundeten Ehepaar das Wochenende in einer Jagdhütte verbringen möchte, findet sie sich plötzlich isoliert und abgeschnitten vom Rest der Welt. Eine unsichtbare Wand versperrt ihr den Weg und hindert sie am Weitergehen. Als nicht wahrnehmbare Grenze durch Raum und Zeit erzeugt diese Paradoxie mannigfache Konfrontationen. In Julian Roman Pölslers Film bildet sie zugleich (als Auge der Kamera) die Trennlinie zum Publikum.
Nach dem lange anhaltenden Schock und Selbstmordgedanken, nach Alpträumen und einer sich verlierenden Hoffnung entwickelt die Heldin wie in einer Robinsonade Überlebensstrategien und neuen Lebensmut. Gegen die vermeintliche Sinnlosigkeit und Absurdität des Daseins will sie „sich der Wirklichkeit stellen“. Und dabei helfen ihr Tiere: die tägliche Sorge um einen Hund namens „Luchs“, eine Katze, die Kuh „Bella“ und einen kleinen Stier sowie die mühevolle Arbeit, die mit dieser Verantwortung verbunden ist. Sie erkundet das Gebiet, erlernt landwirtschaftliche Techniken, aber auch – und trotz fortgesetzten Widerwillens – das überlebensnotwendige Jagen und Töten. Zwar ist ihr dieses notwendige Handeln eine Last, in die sie immer bewusster einwilligt, zugleich befreit es sie aber auch von der „Last der Entscheidung“. Schließlich erlebt sie eine allmählich sich vollziehende Verwandlung, ein langsames Hineinwachsen in eine neue, natürliche Ordnung, aus der die Liebe als „einzige Möglichkeit“ aufscheint. Eine Distanz zum „eingefrorenen Leben“ jenseits der Wand und eine Skepsis gegenüber der Rationalität sind damit verbunden. Pölslers nachdenklich stimmender Film konzentriert sich auf diese ebenso besänftigende wie schwerelose „helle Stille ohne Gedanken“ und spiegelt die inneren Aufbrüche und wechselnden Gemütszustände der Protagonistin – sowohl ihre Verschmelzungsphantasien als auch ihr Außenseitertum – in eindringlichen Bildern der Natur, die zur Seelenlandschaft wird.