Die schöne Hochzeit

(F 1982; Regie: Eric Rohmer)

Mädchenträume

Die aus einfachen Verhältnissen stammende Kunstgeschichtsstudentin Sabine (Béatrice Romand) steckt noch mitten in einer Affäre mit dem verheirateten Künstler Simon (Féodor Atkine) als sie einen Entschluss fasst: Schluss mit dem Lotterleben, es wird geheiratet! Fest entschlossen sesshaft zu werden, braucht sie nur noch den richtigen Mann. Diesen glaubt sie wenig später auf einer Party im Haus der Eltern ihrer Freundin Clarisse (Arielle Dombasle) gefunden zu haben: Es ist der zehn Jahre ältere Anwalt Edmond (André Dussolier) …

Mit dem zweiten Film aus seinem Filmzyklus Comédies et proverbes widmet sich Rohmer einer Geschichte, die man sich gut als romantische Komödie vorstellen könnte: das naive Mädchen, das sich eine fixe Idee in den Kopf setzt und sich in den falschen Mann verliebt. In Hollywood käme natürlich irgendwann der unvermeidliche Mr. Right ins Spiel, den die Protagonistin erst nach etlichen Turbulenzen und emotionalen Verwirrungen als solchen erkennt und statt des ursprünglich Auserwählten in ihr Herz schließt. Bei Rohmer sieht das anders aus: Er konfrontiert den Zuschauer mit den abstrusen, aber umso vehementer vorgetragenen Vorstellungen Sabines und lässt den Zuschauer lange vor ihr erkennen, dass ihre Bemühungen zum Scheitern verurteilt sind; nicht nur, weil sie sich den Falschen ausgeguckt hat, sondern vor allem, weil ihre Liebes- und Lebenskonzepte schlicht nicht lebbar sind. Und den Mr. Right gibt es in Rohmers Film natürlich auch nicht.

In warmen Herbsttönen gefilmt, folgt 'Die schöne Hochzeit' viel stärker als noch der Vorgänger 'Die Frau des Fliegers' einer konventionellen Storyline, die eine starke soziale Komponente enthält. Das sichtbare Unwohlsein, das der erfolgreiche Anwalt Edmond im kleinen Reihenhäuschen von Sabines Mutter und in Sabines Mädchenzimmer empfindet, liegt nicht zuletzt in der sozialen Diskrepanz zwischen beiden begründet. Das „kleine“ Mädchen passt einfach nicht zu dem Anwalt der gehobenen Mittelschicht. Die vermeintliche Komödie verschont den Zuschauer also nicht mit unangenehmen Einsichten, zumal Rohmers Eigenart, seine Protagonisten lang und breit über ihr Seelenleben Auskunft geben zu lassen, die Naivität Sabines für den Zuschauer oft schmerzhaft offenlegt. Eine Parallele zu dem ungleich leichteren 'Die Frau des Fliegers' gibt es aber doch: Den Mann, der Sabine am Ende im Zug ein freudig-interessiertes Lächeln zuwirft, hat sie in der Eröffnungsszene im gleichen Zug ebenso übersehen wie er sie. Das Leben hält eben immer neue Überraschungen parat. Manchmal ist man nur zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sie zu bemerken.

Dieser Text erschien zuerst in: Remember it for later

Benotung des Films :

Oliver Nöding
Die schöne Hochzeit
(Le beau mariage)
Frankreich 1982 - 97 min.
Regie: Eric Rohmer - Drehbuch: Eric Rohmer - Produktion: Margaret Ménégoz - Bildgestaltung: Bernard Lutic - Montage: Cécile Decugis - Musik: Ronan Girre, Simon des Innocents - Verleih: Arthaus - FSK: ab 12 Jahren - Besetzung: Béatrice Romand, André Dussollier, Féodor Atkine, Arielle Dombasle, Huguette Faget, Thamila Mezbah, Sophie Renoir, Hervé Duhamel, Pascal Greggory, Virginie Thévenet, Denise Bailly, Vincent Gauthier
Kinostart (D): 05.07.1985

DVD-Starttermin (D): 30.11.-0001

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt0082053/