Dass mit Mel Gibsons Jesus-Film die christliche Heilsgeschichte einige Flecken abbekommen würde, war schon nach den ersten Reaktionen aus den USA absehbar. Da hatte den Film noch kaum jemand gesehen. Aber ein fundamentalistischer Religionsvertreter, und sei er aus Hollywood, der in einem Anfall von Wahn um Authentizität ringt, ist in den amerikanischen Küstenstädten, traditionell das Zentrum der liberalen Intelligenz, a priori suspekt. Nachträglich hat sich die Medienschlacht als Strohfeuer erwiesen; immerhin warf es hierzulande ein – wenn auch schwaches – Licht auf die Feuilletons. Nachdem man sich schnell von den gängigen Antisemitismusvorwürfen freigeschwommen hatte, fiel das Urteil in der deutschen Presse humorlos wie in einem Kirchenblatt aus: unchristlich und blasphemisch. Feuilletonisten als vermeintlich letzte Außenposten der abendländischen Kultur schwangen sich zu Verfechtern der reinen christlichen Lehre auf.
Natürlich ist 'Die Passion Christi' ein barbarischer Schmarrn – ein Bibelfilm für Extremchristen, die ihr Heil in der körperlichen Verstümmelung suchen. Davon bietet Gibsons Film mehr als genug. Die Kamera labt sich am geschundenen Leib Christi, als gelte der Karfreitag als höchster Feiertag. Fleischfetzen fliegen durch die Luft, Blut spritzt in die Kamera, Augen werden ausgehackt, Nägel bohren sich durch Hände. Dass während dieser Kreuzigungsszene eine Amerikanerin im Kino an einem Herzanfall starb, nützte der PR – in Amerika spielte der Film bereits am ersten Wochenende seine Kosten wieder ein. Unchristlich ist das – dabei soll doch sogar der Papst zugegeben haben, dass es in Gibsons Film so sei, wie es war.
Aber auch der Antisemitismusvorwurf gegen den Film steht auf wackligen Füßen. Wie prosemitisch kann eine Bibelverfilmung schon sein? 'Die Passion Christi' ist so antisemitisch wie der Text seiner Vorlage; der Gerechtigkeit halber kommen die Römer im Film aber auch nicht besser weg als der jüdische Mob. Was die römischen Folterknechte mit dem Menschensohn anstellen, fällt sowohl unter die Genfer Konventionen als auch unter den Tatbestand der Gewaltpornographie.
Letztlich eignet sich dieser Bibel-Trash nur für ein Double Feature mit 'Das Leben des Brian'. Der Marylin-Manson-ähnliche Teufel mit den entstellten Aphex-Twin-Babys ist eine Reminiszenz an MTV, der donnernde Soundtrack an 'Black Hawk Down'. Mit Glaube hat das so viel zu tun wie mit schlechtem Geschmack (schwer, das eine vom anderen zu trennen). Beunruhigender als der Film selbst war nach den ersten Zuschauerkommentaren allerdings der Verdacht, dass das Publikum genau den Film bekommen hat, den es verdient.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 04/2004