Alles beginnt mit Schuhen. Zu der von Eileen gesungenen französischen Version des Nancy Sinatra-Songs „These Boots Are Made For Walkin’' gehen sie an den Füßen ihrer eleganten Trägerinnen in Großaufnahme durchs Bild. Ein besonders exquisites Paar, vom erfindungsreichen Roger Vivier für Christian Dior entworfen, hat die junge Schuhverkäuferin Madeleine (Ludivine Sagnier) eben geklaut, um nach Feierabend als Gelegenheitsprostituierte potentielle Freier zu verführen und ihr „Taschengeld“ aufzubessern. So zumindest lautet die „elterliche Legende“, wie ihre Tochter Véra (Chiara Mastroianni) im Rückblick erzählt. Als Madeleine bei einem ihrer Liebesdienste den tschechischen Arzt und Endokrinologen Jaromil Passer (Radivoje Bukvic) kennen lernt, ist es um sie geschehen. Sie heiratet, folgt ihrem leichtlebigen Ehemann schweren Herzens nach Prag und bringt im Jahre 1965 ihre Tochter Véra zur Welt, deren Aufwachsen der Film über wechselnde Schuhgrößen vermittelt.
In warmes Licht und cremige Farben taucht Christophe Honoré das Leben und die Liebe seiner Protagonisten. Mit leichter Hand und romantisierender Note erzählt er in seinem Musical „Die Liebenden“ („Les bien-aimés') von individuellen Aufbrüchen in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche; und er entfaltet dafür eine kunstvoll gestaltete Chronik komplizierter Liebesverhältnisse, die einen Zeitraum von über vierzig Jahren umfassen. Aus wechselnden Perspektiven und zu ebenso wechselnden Zeitpunkten, an Schauplätzen in Paris, Prag, London, Montreal und Reims entsteht ein Panorama des modernen Beziehungslebens, in das Honoré, von Jacques Demy inspiriert, immer wieder melodramatische Gesangseinlagen seiner Liebeskranken setzt. „Ich kann nicht leben, ohne dich zu lieben“, singt etwa Madeleine, als sie im Jahr des Prager Frühlings von ihrem treulosen Mann betrogen wird und sich daraufhin von ihm trennt.
Damit ist das letzte Wort über dieser Beziehung, deren Partner in späteren Jahren von Catherine Deneuve und Milos Forman gespielt werden, aber noch nicht gesprochen. Schließlich zählt Jaromil zu beider Tugenden neben Leichtsinn und Hochmut, auch noch Lust und Wut. Und weil der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, wie es in einem der Chansons heißt (oder auch: „Wie die Mutter, so die Tochter.“) ergeht es ihrer Tochter Véra in den Wechselfällen ihres Liebesverlangens kaum besser. Im Gegenteil: Während die Zeit vergeht und die Jugend endet, sie ihren Freund und Lehrer-Kollegen Clément (Louis Garrel) provozierend unbekümmert betrügt und dann irgendwann aufgibt, löst die Begegnung mit dem homosexuellen amerikanischen Rockmusiker Henderson (Paul Schneider) jenes große, geradezu ausschließliche und deshalb tragische Gefühl in ihr aus, das ihr schließlich zum Verhängnis wird: „Ohne deine Liebe kann ich nicht leben“, lautet die entscheidend abgewandelte Version ihres Liebesleids.