Fritz Bauer, der hessische Generalstaatsanwalt der fünfziger Jahre (Auschwitzprozess!), wird mainstreamtauglich. Regisseur Lars Kraume (KKD-Kriminaldauerdienst, ZDF, und Tatort, ARD) bringt uns Bauer als eine Art TV-Kommissar näher, der auch seine – au, Mann! – sperrigen Seiten hat, aber vor allem grundsympathisch ist.
Burghart Klaußner vermittelt in seinen vielen, vielen Dialogsätzen Bauers Überzeugung, als Einzelner gegen die in der Adenauerrepublik allseitige Restitution kämpfen zu müssen, d.h. gegen die Nazis, die allüberall nach 1945 ihre alten Positionen besetzt hatten (Globke usw.). Bauer also gegen König, den Bonner Staat. Soweit, so gut. Aber nun kommt Butter an die Fische. Die BRD soll einen Musterprozess bekommen. Gegen Eichmann? Ermitteln wir. Sehen wir im Film. Aber wo bleibt das Persönliche? So richtig zum Große-Augen-machen?
„Bauer war schwul“, ist doch ein Aufmerker, oder nicht? Der Film wird jetzt lebhaft. Er hat sein Thema gefunden. Die Kamera bricht aus dem Kammerspiel aus. Sie macht Großaufnahmen. Von Socken. Bauers Socken sind schwarz. Die vom jungen Staatsanwalt sind kariert. Ein paar Einstellungen weiter: Bauers Socken sind auch kariert. Aha! Die beiden kucken sich in die Augen. Sie verstehen sich. Verstehen wir.
Falls nicht: Bauer kriegt noch einen erklärenden Dialogsatz. – Eigentlich wars der Sache nach ja darum gegangen, dass Bauer von den jungen Staatsanwälten hoffte, dass sie gegen die Nazi-Väter aufbegehren und sich für so was wie den Auschwitzprozess engagieren. Die Studentenbewegung der sechziger Jahre kriegte das auch hin. Der Film sagt es, anfangs, aber dann hat er anderes im Sinn. Schon wieder sitzen wir im Transvestitenclub. Der Jungstaatsanwalt (Ronald Zehrfeld) arbeitet dort hart und körperlich an seinem Comingout.
Für eine Geschichtsstunde ist dieser Film ungeeignet. Der Jungstaatsanwalt ist eine fiktive Figur. Bauers Credo war nicht die Homosexualität. Und überhaupt: sollen wir glauben, dass Bauer den Auschwitzprozess aus Verärgerung gegenüber dem Mossad begonnen hat, weil der ihm nicht den Wunschkandidaten Nr. 1 ausgeliefert hat, den Eichmann??
Zurück zum Anfang. Wem das alles egal ist, Geschichtsstunde hin, Geschichtsstunde her, der wird den Film toll finden, supergut gespielt, voll glaubwürdig, so richtig zu Herzen gehend.
Klaußner/Bauer ist unser Mann! Oder??
Dieser Text erschien zuerst in Konkret 10/15.