Alle African-Americans, so heißt es früh und programmatisch im Dialog von 'The Butler', haben zwei Gesichter; eines davon ist für die Weißen gedacht, deren Erwartungen immer und überall zu antizipieren seien. Das ist als Rat und Mahnung an die Titelfigur ausgesprochen, gilt aber auch für den Film selbst: Auch das Biopic 'The Butler' folgt einer ostentativen Zwei-Gesichter-Logik, erzählt in Dopplungen und Innen-Außen-Kontrasten das Leben von Cecil Gaines, basierend auf der Biografie eines Mannes, der als schwarzer Diener im Weißen Haus unter acht US-Präsidenten, von Truman um 1950 bis Reagan Mitte der 1980er Jahre, stets die Form wahrt. Seine Haltung heißt Zurückhaltung.
Familie Gaines frönt zuhause in bescheidenem kleinbürgerlichen Wohlstand und Freundeskreis wechselnden Tanz- und Textilmoden und verfolgt besorgt Bürgerrechts- und Vietnamproteste im Fernsehen; ihr älterer Sohn begehrt gegen den rassistischen Status quo auf, erfährt weiße (Staats-)Gewalt am eigenen Leib und vor Ort, als Aktivist, später als demokratischer Mandatar. Cecils stoische Dienstpose ist so unerschütterlich wie seine Verhärtung gegenüber dem quasi missratenen Filius – oder wie die pazifistisch protestierenden Freedom Riders, die beim Sitzstreik im 'weißen Sektor' eines Südstaaten-Diners ihr Recht, bedient zu werden, im Licht der Medienöffentlichkeit und unter Prügeln und Schmähungen des Redneck-Mobs ertrotzen; im Parallelschnitt servieren Cecil und Kollegen beim Präsidentendinner, dazu läuft Vintage Motown Soul. (Den zeitweise militanten Sohn spielt übrigens der Brite David Oyelowo – zuletzt zu sehen in der kleinen, aber markanten Rolle des schwarzen Corporal, der Lincoln zu Beginn von Spielbergs Film ein paar deutliche mahnende Worte mit auf den Weg in sein Sklavereiabschaffungsprojekt gibt.)
Die Leitdifferenz 'weiße (Welt-)Herrschaft, schwarzes Personal' hätte sich zur Klassen- und Machtspiel-Satire nach Art von Jean Renoirs 'Die Spielregel' ausbauen lassen. Doch Regisseur Lee Daniels bedient (nach seinen Innenansichten schwarzen Familienlebens on welfare samt fürsorglicher weißer Sozialarbeit 2009 in 'Precious') das Register des Nationalgeschichtsbilderbogens und da auch gleich ein allzu prominentes Modell: Nicht nur dem Namen von Darsteller Forest Whitaker nach erinnert Cecils passive Zeugenschaft, zumal gegenüber den Konflikten der 1960er, an 'Forrest Gump' – jenen Wohlfühlfilm, der vor zwanzig Jahren die Geschichte sozialer und politischer, insbesondere schwarzer Kämpfe (und Stile) in weiß-liberaler, postpatriarchaler Perspektive appropriierte. Nun zeigt Daniels‘ black history-Konsensdrama alle an ihrem erwartungsgemäßen Platz: den als Rüpel notorischen (und schon 1994 mit Forrest Gumps Popo befassten) Präsident Johnson auf dem Klo, JFK tief bewegt vom Unrecht der racial segregation vor dem Fernseher, Nixon in Paranoia und Angstschweiß, dessen Nachfolger Ford und Carter gar nicht (zu unergiebig, weil unbekannt, also Zeitsprung von den Mittsiebzigern in die Mittachtziger), Reagan schließlich als Mann der Symbolpolitik (der seinem Butler die Peinlichkeit antut, ihn als Gast eines White House-Dinners einzuladen). Oprah Winfrey tritt als Mrs. Gaines auf und spielt dabei weniger sich selbst als vielmehr ihre eigene, dankbar Self-Improvement-Anweisungen aus dem Fernsehen entgegennehmende Kernzielgruppe.
Momente des Rekurses auf die Macht und Alltagspräsenz medialer Bilder – so auch, wenn der Streit der konformistischen Eltern mit ihrem radikalisierten Sohn und dessen Afro-Hairstyle tragender Freundin in Debatten darüber mündet, ob Sidney Poitier in seinen einschlägigen Hollywood-Erfolgsrollen Ende der 1960er als Protest-Ikone oder als rich Uncle Tom zu beurteilen sei – deuten stellenweise Bereitschaft zur Reflexion an, die 'The Butler' ansonsten vermissen lässt. Ärgerlich wird die aalglatte Kurz(um)schrift in Sachen Historiografie von black emancipation struggles dort, wo etwa die Black Panthers so schlecht wegkommen wie einst in 'Forrest Gump', weil da offenbar irgendwie Gewalt im Spiel ist (und mit dem Irrweg des Extremismus entsorgt der Film auch gleich, ganz auf Männerschicksalswege zur Würde fokussiert, die Figur der militanten Freundin des Sohnes). Und als gälte es später, solche Gesten der Antizipation weißer Mainstream-Erwartungen durch einen Tupfer Verbalradikalismus zu kompensieren – der eigentlich weniger radikal als bloß brüskierend, aufrechnend und keineswegs erhellend ist –, vergleicht der gealterte Cecil gegen Ende in einem tiefsinnig resümierend daherkommenden inneren Monolog die Konzentrationslager der Nazis mit zweihundert Jahren des aufgezwungenen Elends in Entrechtung für African Americans. (Wären Sklaverei oder auch die bis heute institutionalisierten Rassismen in den USA oder hierzulande ohne einen solchen Schockvergleich nicht schlimm genug?)
Am Ende regiert Eintracht: Zwar hat der Butler bei Reagans (Alan Rickman) gekündigt – vielleicht, weil er trotz alle fünfzehn Jahre wiederkehrender Anfrage beim Personalchef noch immer nicht gleich viel bezahlt kriegt wie die weiße Belegschaft im Weißen Haushalt, oder weil die US-Regierung das Apartheidregime in Südafrika hartnäckig unterstützt, oder weil ihm das hohle Rumgetue von First Lady Nancy (Jane Fonda) in Sachen Dinner-Einladung unsympathisch war. Irgendwie so; das Entwerfen von minoritärer Geschichte im Zeichen und Rahmen der majoritären Staatsmacht und auf deren Anerkennung hin wird dadurch nicht weiter infrage gestellt, und das 'serving the country' behält einen erbaulichen Charakter. Dafür kommen nun Vater und Sohn an einem (nicht erst seit dem Tod des Betreffenden) hochgradig konsensergiebigen Ort wieder zueinander, nämlich bei einer Demo für die Freilassung von Nelson Mandela, sowie dann – Zeitsprung, weil ja doch zwischen 1986 und 2008 sehr wenig passiert – schlussendlich noch im Stolz über die Präsidentschaftskandidatur von Barack Obama. Eine schwarze Erfolgsstory nach weißen Spielregeln: Ihr formvollendetes Kontinuum verrät mehr von gut eingeübter Erzähletikette als von konkreten Ermächtigungsprozessen.