Im Anschluss an seinen fulminanten Dokumentarfilm über den Punkrocker Kurt Cobain erklärt Regisseur Brett Morgan etwas großsprecherisch seine Absichten und gibt Einblick in die produktionstechnischen Hintergründe seines filmischen Portraits “Cobain: Montage of Heck”. Das zeugt nicht nur von einem starken Ego und wirkt einigermaßen gewöhnungsbedürftig, sondern liefert natürlich auch ein paar nützliche Informationen. Er habe in der Konzentration auf nur wenige Zeitzeugeninterviews (vor allem mit Familienmitgliedern) und den reichhaltigen kreativen Nachlass Cobains ein möglichst intimes inneres Portrait des Musikers schaffen wollen, das sich vor allem aus Selbstzeugnissen zusammensetze. So verdichtet er in seiner „Montage aus der Hölle“ (der Titel stammt von einer Musikkassette Cobains) auf ebenso mitreißende wie eindrucksvolle Weise eine enorme Menge an Homemovies, Tagebuchnotizen, Konzertmitschnitten und eigens animierten Zeichnungen des Künstlers und Rockstars.
Ein solcher wollte Kurt Cobain freilich nie sein, auch wenn er andererseits viel dafür getan hat. Seine ironische Abgrenzung gegenüber sogenannten Rockidolen, seine massiven Probleme mit der eigenen Popularität, aber auch seine radikale Ablehnung traditioneller (Geschlechts-)Rollenzuschreibungen sowie einer leistungsorientierten Elterngeneration und einer verlogenen Politik markieren dieses widersprüchliche Feld. Ihn zum Sprachrohr der Null-Bock-Generation zu stilisieren bzw. seine Verweigerungshaltung zu instrumentalisieren, stößt bei Cobain ebenso auf Ablehnung wie die mediale Ausbeutung seines Privatlebens bei ihm heftige Wut auslöst. Insofern ist Morgans Film auch der eindringliche Versuch, die Rekonstruktion von Kurt Cobains künstlerischem Werdegang mit seiner inneren „Seelenbiographie“ zu verschränken. Die Musik liefert dazu vornehmlich den Soundtrack in seiner heftigsten Form.
Cobains Krankheits- und Leidensgeschichte beginnt 1967 in der prosperierenden Holzfäller-Stadt Aberdeen im Nordwesten der USA, wo der kleine Kurt als zunächst verwöhntes Kind aufwächst, durch seine Hyperaktivität aber seine Eltern überfordert. Nach deren Scheidung wird der 9-jährige Junge, der insgeheim bei seiner Mutter bleiben möchte, innerhalb der Verwandtschaft herumgereicht, stößt aber überall auf Zurückweisung, was während der Pubertät die Ausprägung seines manisch-depressiven Charakters zusätzlich verstärkt. Als sensibler Jugendlicher, der Probleme mit Mädchen und der Sexualität hat und Demütigungen nur schwer erträgt, beruhigt er sich mit Marihuana, entwickelt aber zugleich Gewalt- und Zerstörungsphantasien, die sich vor allem in seinen Zeichnungen niederschlagen, aber auch in der Erfahrung eines energiegeladenen Musikmachens ein Ventil finden.
Die wüsten, selbstzerstörerischen Auftritte mit seiner Band Nirvana geben davon einen starken Eindruck. Zwar findet er mit der Hole-Sängerin Courtney Love und der gemeinsamen Tochter Frances auch privates Glück. Trotzdem nimmt sich Kurt Cobain, von permanenten Magenbeschwerden gepeinigt und von der Heroin-Sucht gezeichnet, mit 27 Jahren das Leben. Zu diesem Zeitpunkt ist das Bild seines Leidens an sich und der Welt im Film durch einen kurzen, von Cobain inszenierten Auftritt im Rollstuhl symbolisiert, längst öffentlich geworden.