Mitte der 1980er Jahre setzte das Regime Ceausescu auf die komplette Abschottung Rumäniens. Das Fernsehen sendete nur noch ein Programm und nur zwei Stunden pro Tag und nur Propaganda. Ausreisen waren extrem erschwert. Kulturimport fand quasi gar nicht mehr statt. Den Rest besorgten der Geheimdienst Securitate und die Zensur. Dieses Schreckensszenario skizziert die Dokumentation von Ilinca Calugareanu für den Zuschauer: 20 Millionen Menschen werden von einer Diktatur über Jahre in Unwissenheit gehalten. Mit verheerenden Folgen!
Das klingt erschütternd trostlos, doch der Film „Chuck Norris und der Kommunismus“ schlägt eine ganz andere Tonart an. Wurde doch die VHS-Cassette marktfähig. Zwar konnte man in Rumänien keine Video-Recorder kaufen, aber man konnte sie ins Land schmuggeln. Moment! Was ist mit den erschwerten Ausreisebedingungen? Egal! Also, es wurden Raubkopien von Hollywood-Mainstream-Produktionen ins Land geschmuggelt und – wie damals üblich – von nur einer Sprecherin namens Irina Nistor synchronisiert. Wenn man sich jetzt noch einen ziemlich teuren Fernseher besorgte, konnte man diese Raubkopien abends in größerer Runde gegen Eintritt vorführen. An einem Abend konnte man so mehr verdienen als sonst in einem Monat. Ein kleiner Vorgeschmack auf die Marktwirtschaft, die auf den Untergang des real existierenden Sozialismus folgen sollte!
Doch auch diese ökonomische Perspektive verfängt nicht. Vielmehr geht es um die Endverbraucher. So sitzen erwachsene Rumänen feixend vor dunklem Hintergrund und erzählen einander stichwortartig ihre schönsten Video-Erlebnisse, gerne auch illustriert durch entsprechende Filmausschnitte. Ziemlich konventionell das Ganze, gerne auch unterlegt mit einem aufdringlichen Score. Damit nicht genug! Gibt die Anekdote etwas her, dann wird sie durch einen Filmausschnitt exponiert, anschließend re-enacted und selbst wieder hölzern synchronisiert.
Also: In „Rocky“ trainiere die Titelfigur in einem abgewetzten Trainingsanzug vor Tagesanbruch in den Straßen der Stadt, wird erzählt. Weil man als Jugendlicher auch so groß und stark wie Rocky werden wollte, tat man es ihm gleich. Abgewetzte Trainingsanzüge gab es ja zuhauf. Dazu mischt der Film Interview-Parts mit Filmausschnitten aus „Rocky“ und mit Musik unterlegten Re-Enactments. Rohe Eier zum Frühstück im Morgengrauen! Wegen „Rocky“!
Große Heiterkeit, wenig Erkenntnisgewinn! Zum Glück wagt sich der Film nach einiger Zeit aus der schrillen Nostalgie-Ecke und erzählt lieber davon, dass die Raubkopien gewissermaßen subversiv konsumiert wurden. „Imperialistische Filme gucken“ als Akt des Widerstands! Nicht die Handlung war entscheidend, sondern eher das, was es zu sehen gab. Der Video-Underground wusste, dass es ein besseres Leben geben könnte – und zwar aus den Filmen, die von Sportwagen und gut gefüllten Supermärkten, von Mode und Inneneinrichtungen, von Traum-Orten und -Straßen nicht nur erzählten, sondern sie präsentierten. Wenn Eddie Murphy in „Beverly Hills Cop“ staunend durch Hollywood fährt, dann entspricht das in etwa dem Blick der rumänischen Zuschauer auf die fremden Bilderwelten. Außerdem zeigten Figuren wie Rocky, Rambo, Chuck Norris oder Jean-Claude van Damme, dass man sich nicht unterkriegen lassen darf. Eine wahre Apotheose des Hollywood-Kinos, das kapitalistisch profitable Begehrlichkeiten in die Köpfe eines Publikums verpflanzte, das im gleichen Augenblick der Fiktion aufsaß, subversiv zu sein.
Oder waren die Videoabende Opium fürs Volk und lenkten von der Politik ab? Denn die Geschichte wird noch komplizierter: Den Raubkopien gemeinsam war in der Regel, dass alle Figuren von derselben Sprecherin – teilweise etwas eigenwillig – synchronisiert und eingesprochen waren von – wie schon gesagt – Irina Nistor. Sie war im rumänischen VHS-Underground die Stimme ohne Körper, der Beweis für die »Echtheit« der Filme und eine riesige Projektionsfläche für Männerphantasien. Der Film lässt Nistor ausführlich zu Wort kommen und versucht so, etwas Licht in diese eigenwilligen Vertriebswege zu bringen, die letztlich vom Geheimdienst zwar behindert, aber nicht unterbunden und vielleicht sogar kontrolliert wurden. Wie heißt es einmal so schön: „Menschen mit Videorecordern und Farbfernsehern wurde viel Leid angetan!“ Der bis zuletzt undurchsichtige Timur Zamfir, der dieses Geschäft jahrelang betrieb, bringt es einmal auf den Punkt: „Man braucht Mut, um in ein Auto zu steigen und Filme aus einem unbekannten Land zu holen.“ Da hilft es mitunter, zumindest einen korrupten Grenzbeamten zu kennen. Oder selbst beim Geheimdienst zu sein. Vielleicht. Ein etwas zu sehr um Unterhaltung bemühter, simplifizierender, widersprüchlicher und seinerseits undurchsichtiger Film.