Grob gesagt läßt sich die Bandgeschichte der Goldenen Zitronen in zwei Phasen unterteilen: die Zeit vor und jene nach dem Mauerfall. Als Punk im Punk, als subkulturinternes Spiel mit Codes und Regeln einer starren Szene, die sich in den 1980ern entweder im plakativen Deutschpunk oder dem asketischen Straight Edge-Hardcore verfestigten, war ihr Auftreten zunächst auf die Irritation dieser missverstandenen Doktrin einer Selbstverwirklichung im Elend gerichtet. In Schlafanzügen und dererlei Verkleidungen mehr skandierten sie die Durchhalte- und Bekennerfloskeln der, ja, Mitstreiter einen Tick parolenhafter ('Für immer krank/ möchte ich sein/ für immer krank/ für immer bei der Krankenschwester/ für immer bei ihr sein') und vermengten das Klangschema mit Disco, Schlager, Glam, Pop, so dass dem Ergebnis bei noch so emsiger Suche keine Coolness oder Härte mehr abzuringen waren. Eine Identifikation mit den Inhalten war trügerisch (und sollte als Verfahren durchaus leitmotivisch auch das zukünftige Werk begleiten), weil sie stets mehr über den Zustand des Affen aussagen wollten, als ihn willfährig weiterhin mit Zucker milde zu stimmen. Diese Abgrenzung schien nach der 1986 erfolgten Tour im Vorprogramm der Toten Hosen, dem Bild-Skandal ums Stück 'Am Tag, als Thomas Anders starb' und Tim Renners 5-Jahres-Vertragsofferte bei Polydor zunehmend die letztverbleibende Möglichkeit, um nicht fortwährend vor einem Schnauzbartpulk das zur Farce geronnene Abbild der einstigen Parodie zu geben.
Das Publikum wurde dann ausgetauscht, als der Staat seine Fratze nicht mehr zu verbergen brauchte: Wiedervereinigung, Pogromstimmung in Hoyerswerda, Solingen etc. und Abbau des Asylrechts waren klare Wegmarken für eine politische Kultur des Regress, die auch ein reiferes Bandprofil forderten: Im Laufe der Jahre entwickelte sich hieraus eine völlig eigenwillige Collage aus HipHop, No und New Wave, Electro, Funk, Punk, Glamrock und eine Sprache der Zitation, die eigentlich kein genuines Autoren-Ich mehr kennt, sondern die Verhältnisse selbst durch Zitat und (Klang-) Montage erzählen lässt: vom gehorsamen Arbeitsethos, von verkrüppelten Beziehungen in den längst eingerissenen Sphären der Freizeit, vom Primat der Ware gegenüber dem Menschen, vom Revanchismus der Kunst.
Die Brüchigkeit des Kapitalismus setzt sich fort in der Identitätsverweigerung. So wie sich in den Songs die verschiedenen Stimmen und Positionen überlappen, gleicht auch die Bandstruktur einem Kollektiv, fernab vom zivilcouragierten Anstandsaufstand so vieler Phasenbetroffener: Töne werden nicht gespielt, sondern diskutiert eingesetzt, eine klare Zuweisung der Urheberschaft entzieht sich meist, und das Resultat pendelt zwischen gesungenem Diskurs und ästhetisierter Konsequenz einer nun mal missratenen Welt. Das ist keine Kritik, die konstruktiv im Parlament diskutiert werden will, sondern philantropisches Gespür für die Dialektik der guten Absicht, die sich trotzdem nicht zu echauffieren scheut.
Der Film bedient sich inszenatorisch dieses Prinzips. Inhaltlich zeichnet er akkurat die Historie nach, nutzt den Kommentar, setzt auf Talking Heads der einstigen wie derzeitigen Bandmitglieder oder sonst Involvierten, auf szenenahe Journalisten und Poptheoretiker. Aber er verweist gleichzeitig inhaltlich auf das Prozessuale, indem er die Bilder der Vergangenheit immer wieder mit den Studioaufnahmen der aktuellen Produktion kontrastiert, die ständige Reflektion abbildet, Gegenwart und Vergangenheit in Beziehung miteinander setzt und so dem Historisierungsverfahren der einschlägigen Rockumentarys entgeht. Da schreit so vieles nach Bruch und Relativierung: Die Interviews mit Urgesteine Ted Gaier und Schorsch Kamerun werden, teils dialogisch via Split Screen, von einem ergrauten Herrn verlesen, Gesprächspartner verschwinden aus dem verwackelten Bild oder sprechen im lauten Tumult eines Konzerts und sind kaum zu verstehen, minutenlange tonlose Archivbilder werden zur gegenwärtigen Studioaufnahme geschnitten. Alles macht deutlich: Dies hier ist nur ein Entwurf eines Verfahrens, das ständig in Bewegung ist. Entsprechend gleicht der Film einem Einordnungsversuch, dessen Schlusspunkt noch gar nicht eingetreten ist, dessen Bilder lediglich ein Deutungsangebot sind. Das mag für manchen eine elitäre Hermetik ausstrahlen; den Zitronen eher abholde Zeitgenossen werden sich durch den Film vermutlich nicht zu glühenden Anhängern wandeln. Daniel Richters Antwort auf die Frage, warum denn statt der Abgrenzung zum Schnauzbart nicht die Missionierung gewählt wurde, könnte genauso als Credo der Dokumentation herhalten (und spricht der Verweigerungshaltung des Punk wie der Autonomie der Kritik das Wort): 'Weil es die Mühe nicht wert ist. Du bist Künstler, weil du deinen eigenen Matsch verkleckern willst. Und wenn nur drei Leute sich bekleckern lassen wollen, dann ist das besser, auch für den Prozess, als wenn du auf dem Marktplatz stehst und Leute, die sich nun mal nicht bekleckern lassen wollen, mit Matsch beschmierst und die spannen alle nur die Regenschirme auf. Wozu soll das gut sein? Das macht dich nur unglücklich.'