Es gibt Filme, bei denen ich mir, als Kritiker, wünschte, sie gut zu finden. „Blutsfreundschaft“ von Peter Kern ist so ein Fall, weil mir Peter Kern, der Schauspieler, immer positiv in Erinnerung war: Er spielte in tollen Filmen von Rainer Werner Fassbinder mit („Welt am Draht“, „Faustrecht der Freiheit“), war in Hans Jürgen Syberbergs skandalträchtigem „Hitler – Ein Film aus Deutschland“ dabei, und tauchte nach Jahren von TV-Produktionen („Kir Royal“) folgerichtig als Veteran des „Neuen deutschen Films“ in Filmen Christoph Schlingensiefs wieder auf („Terror 2000“, „United Trash“). So ein Zeitzeuge und Partizipant von Sternstunden des Kinos muss doch seine Lektion gelernt haben, meint man, und sollte er auch kein geborener Filmregisseur sein, so sollte er doch wenigstens mitbekommen haben, wie man sauberen Trash produziert.
Das Cover der DVD der Filmgalerie 451 nährt letzteres Vorurteil: Ein in Würde gedunsener Helmut Berger hält darauf einen kleinen Neonazi im Arm, um ihn vor anderen, böseren Neonazis, die in einer Off-Projektion eine Neonazi-Demonstration abhalten, zu beschützen. Darüber ein sich küssendes Männerpaar, darauf in roten, reißerischen Pulp-Großbuchstaben: „Blutsfreundschaft“
In dieser Bildmontage ist praktisch schon der ganze Film enthalten, ein Film als Wille und Vorstellung sozusagen, als unterhaltsame, wäre es Trash, als naive, wäre es ernst, und, machen wir es kurz: es ist weder dies noch das und es ist bei weitem ganz und gar egal, zu wissen was es ist, weil es in erster Linie ganz fürchterlich auf die Nerven geht. Die Message ist: Peter Kern beherrscht in „Blutsfreundschaft“ nicht die Kunst des Regie-Führens, er beherrscht sie so wenig, dass es schmerzt und quält. Bei allem Anspruch, den der Film wohl irgendwie in sich haben sollte: Es ist kaum wahrnehmbar, was denn überhaupt erzählt werden sollte, so misslungen ist das Erzählen.
So gebe ich hier auch nur kurz wieder, was vom Plot sich bei mir narrativ ansatzweise durchgesetzt hat (ganz bewusst, ohne die Inhaltsangabe zu lesen):
Ein junger Neonazi oder jedenfalls einer, der mit den in Horden den Film bevölkernden Neonazis sympathisiert, ermordet aus Versehen (!) einen Menschen und versteckt sich bei einem alten Herrn und Wäschereibesitzer (das Zentrum des Films und der einzige, dem man ansieht, wie er versucht gegen eine dilletantische Regie anzuschauspielern: Helmut Berger), einem ehemaligen Hitlerjungen, der ebenso aus Versehen während der Nazizeit einen anderen umgebracht hat. Fragen Sie mich bitte nicht nach Einzelheiten! Jedenfalls ist dieses Nazideutschland/-österreich in der Erinnerung des Helmut Berger immer schön in graublau und dieses, wohl, Salzburg der Jetztzeit richtig schön grässlich piefig und klaustrophobisch: Der Horror – und wenn „Blutsfreundschaft irgendetwas ist, dann ein Horrorfilm – wohnt in jeder einzelnen Einstellung dieses Films. „Blutsfreundschaft“ – und darin liegt seine Qualität, wenn man denn unbedingt eine haben will – ist ein Film der Enge, der Angst und des Ekels. Straßenzüge, Häuser, Menschen, niemand macht da eine Ausnahme, auch nicht die kleine queere Gemeinde, die eine merkwürdige Parallelexistenz mit dieser Neonazigeschichte hat, alle wirken irgendwie pathologisch und bedrohlich und ziemlich hirnlos und konfus. Aber dieser Mangel/diese Qualität scheint kein Produkt künstlerischen Willens zu sein, sondern, das Gefühl werd ich nicht los, es scheint ganz einfach der ganz übliche Horror zu sein, an welchem unsere lieben Nachbarn in Österreich täglich zu leiden haben, ein Horror, den man so gar nicht erfinden kann, ein Horror, der mit der Luft eingeatmet wird. Wer kann sagen, woher dieser Horror kommt? Elfriede Jelinek? Ulrich Seidl? Michael Haneke? Peter Kern jedenfalls kann ihn nur unfreiwillig weitergeben.
Wenn man Schlingensief-Filme unausstehlich fand, dann wusste man, der Regisseur hatte sein Ziel erreicht. Das Schlimme an Peter Kern ist, dass er ganz ehrlich eine einfache Geschichte von Liebe und Hass erzählen will, und das Gute an ihm ist, dass er so sehr vom Horror infiziert ist, dass der aus jeder Pore des Films tropft. Nein, aber Spaß macht das wirklich nicht, auch nicht im trashigsten Sinne. Es ist ein Jammer!