Die Ehe von Dean (Ryan Gosling) und Cindy (Michelle Williams) ist gescheitert. Ihre Beziehung ist geprägt von Misstrauen und Vorwürfen, Verbitterung und Wut; ein einziger zermürbender Kleinkrieg, der nur Verlierer kennt. Um ihrer Partnerschaft eine letzte Chance zu geben, entscheidet sich das Paar, eine gemeinsame Nacht in einem Motel zu verbringen. Während sie sich streiten, betrinken und einen verzweifelten Versuch unternehmen, miteinander zu schlafen, erinnert sich jeder der beiden an ihre gemeinsamen sechs Jahre.
In seinem zweiten Spielfilm 'Blue Valentine' inszeniert Dokumentarfilmer Derek Cianfrance ein ebenso berührendes wie tieftrauriges Melodram über das langsame Sterben einer Liebe. In einer a-chronologischen Erzählung, strukturiert durch Rückblenden und gegeneinander geschnittenen Sequenzen aus Vergangenheit und Gegenwart, erzählt Cianfrance von den kleinen und großen Momenten im Leben des Paars: ihre erste, flüchtige Begegnung; die schief zur Ukulele gesungene Liebeserklärung, mit der Dean später Cindys Herz gewinnt; der gemeinsame Besuch beim Frauenarzt, als die schwangere Cindy das Kind ihres Exfreundes Bobby (Mike Vogel) abtreiben lassen will, sich aber im letzten Moment dagegen entscheidet, um ihre Tochter zusammen mit Dean aufzuziehen; dann ihre Hochzeit und der gemeinsame Alltag als Kleinfamilie mit Tochter Frankie (Faith Wladyka).
Dabei bleibt 'Blue Valentine' nahe an seinen Protagonisten, die von Michelle Williams ('Shutter Island'; 2010) und Ryan Gosling ('Crazy, Stupid, Love'; 2011) schmerzhaft intensiv und immer glaubhaft verkörpert werden. Einseitige Schuldzuweisungen spart Regisseur und Kodrehbuchautor Cianfrance aus. Keiner der jungen Ehepartner ist perfekt, jeder hat seine Fehler und trägt zum Zerbrechen der Beziehung bei. Auch weichen ihre Lebensentwürfe über die Jahre immer stärker voneinander ab, kleine Verletzungen summieren sich auf, irgendwann leben beide nur noch der gemeinsamen Tochter wegen zusammen.
Mit seiner ebenso nüchternen wie poetischen Erzählweise und dem harten Realismus des ärmlichen Sujets wirkt 'Blue Valentine' wie ein (sub-)urbanes Gegenstück zu Debra Graniks im US-amerikanischen Hinterland angesiedelten Thriller Winter’s Bone' (2010). Der Blick beider Independent-Filmemacher richtet sich auf ein gegenwärtiges Amerika, dessen Bewohner sich mit prekären Arbeitsverhältnissen mühsam durchschlagen, die Entbehrungen und Ungerechtigkeit ausgesetzt sind und doch nie zu Helden stilisiert, sondern stets als Menschen ernst genommen werden. Ähnlich wie 'Winter’s Bone' verklärt 'Blue Valentine' seine Protagonisten nicht und verfällt nie in falsches Pathos. Zusammen mit dem offenen Ende und der komplexen Zeitstruktur dürfte das Melodram für ein großes Publikum vermutlich zu sperrig sein. Aber gerade diese Eigenschaften machen 'Blue Valentine' auch zu einem bewegenden und intensiven Film. Völlig zu Recht wurden die beiden Hauptdarsteller für eine Vielzahl von Preisen nominiert, darunter Williams für den Oscar und Gosling für einen Golden Globe.
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