Biutiful: wo das Schöne falsch geschrieben wird, ist irgendetwas Richtiges in einem falschen Leben ganz und gar unmöglich.
Uxbal ist liebevoller und aufbrausender Vater, er liebt und hasst die Mutter seiner Kinder, er ist der Kümmerer in der Unterwelt von Barcelona und der Ausbeuter illegaler Senegalesen und Chinesen, er besticht die Polizei, aber nicht genug, um damit eine Razzia zu verhindern; er kann die Geister Verstorbener sehen und ist selbst unheilbar an Krebs erkrankt. Und er bemüht sich, will sein Leben, seine Geschäfte in Ordnung halten und verfängt sich doch nur in Schuld und persönlichen Niederlagen.
„Biutiful“ ist für Alejandro González Iñárritu Neuland: nicht mehr ein chronologieverschobenes, episodenhaftes filmisches Karussell, sondern eine geradlinige Geschichte, weitgehend in chronologischer Reihenfolge gedreht, das Psychoporträt eines faszinierenden Mannes, eines wandelnden Widerspruchs, der den Zuschauer zugleich anzieht und abstößt. Der Film – nominiert für den Auslandsoscar, während Javier Bardem in der Hauptrolle Aspirant als bester Darsteller ist – macht es dem Zuschauer nicht leicht, er wirft einem diese Figur vor und überlässt es dem Publikum, damit umzugehen.
„’Biutiful’ begann an einem kalten Herbstmorgen im Jahr 2006, als meine Kinder und ich das Frühstück zubereiteten und ich zufällig eine CD von Ravels Klavierkonzert in D-Dur einlegte“, sagt Iñárritu, „Als die Musik zu Ende war, begannen meine beiden Kinder gleichzeitig zu weinen. Die melancholisch Qualität, der Sinn für Traurigkeit und Schönheit, den diese Musik beinhaltet, überwältigte sie. An diesem Morgen klopfte eine Figur an der Tür zu meinem Kopf und sagt: ‚Hola, mein Name ist Uxbal.’ Die nächsten drei Jahre sollte ich mein Leben mit ihm verbringen. Ich wusste nicht, was er wollte, wer er war oder wo er hinging. Er ließ sich nicht in die Karten blicken und war voller Widersprüche. Aber ganz ehrlich, ich wusste, wie ich ihn einführen und wie ich in zu Ende bringen wollte.“
Die Handlung folgt dem Gang Uxbals durch die Unterwelt, in immer tiefere Kreise der Hölle, und noch vor ihm merkt der Zuschauer, wie er sich immer weiter von Erlösung irgendwelcher Art entfernt. Glück oder Erleichterung des Schicksals bleiben, wo sie sich zeigen, Illusion; wo andere Filmemacher mitfühlende Emotion oder kathartischen Genuss des Unglücks inszenieren würden, setzt Iñárritu auf deprimierende Traurigkeit und Verzweiflung, für die er immer wieder die passenden Bilder findet. Dazu gehört der Stripclub, in denen die Köpfe und Ärsche der Tänzerinnen als gigantische Titten gestaltet sind, die verzweifelte Flucht der Senegalesen vor der Polizei durch die Ramblas oder die 25 Seelen derer, die Uxbal auf dem Gewissen hat, die an der Kellerdecke schweben. Und immer wieder Uxbals Sitzungen bei verzweifelten Hinterbliebenen, deren betrauerten Toten er sehen kann, gegen großzügige Entlohnung natürlich. Dieses Element des Spiritismus, des wahrgewordenen Volks- und Aberglaubens, ist das irritierendste Moment des Films, es reibt sich heftig und allzu unangemessen mit dem (scheinbaren) Sozialrealismus in der Milieuzeichnung.
Doch eigentlich ist der ganze Film über den langsamen Niedergang des Uxbal eine mythische, parabolische Erzählung. Die sich noch dazu in sich selbst enthält, in der Anekdote eines korrupten Polizisten, der mit Uxbal freundschaftlich ein Bier trinkt: der erzählt, wie einer Tigerdompteur geworden ist, wie er die Tiere stets sicher führte, wie sie seine Liebe erwiderten. Und ihn dann, eines Tages, zerfleischten.