Ein kleines, männliches Büffelkalb wird in der Landschaft Kampaniens ausgesetzt. Weil von ihm keine Milch (für die Mozzarella-Produktion) zu erwarten ist, gilt es in der heutigen Zeit als „nutzlos“. Der Topos vom unerwünschten, ausgesetzten Kind verbindet sich in Pietro Marcellos herausragendem Film „Bella e perduta – Eine Reise durch Italien“ – wie in Robert Bressons Eselsgeschichte „Zum Beispiel Balthasar“ (1966) – mit den Stationen eines Lebensweges. Dieser endet im Schlachthaus, wohin Sarchiapone, so der Name des kampanischen Büffels, mit tränenden Augen gebracht wird. Zu Beginn sehen wir ihn aus subjektiver Perspektive auf seinem letzten Weg durch die schmalen Gänge des Schlachthofes seinem Schicksal entgegengehen. Doch Sarchiapone besitzt nicht nur eine Seele, sondern auch die Gabe der Sprache. Mit ihr erzählt er uns aus dem Off von seinem „schlimmen Erdenlos“ und gewinnt dadurch eine Geschichte.
Diese beginnt mit dem gutmütigen Hirten Tommaso Cestrone, der den jungen Büffel aufnimmt und pflegt. Als freiwilliger Aufseher des Palasts von Carditello, einer verfallenden ehemaligen Bourbonen-Residenz in der Region Caserta, gilt der selbstlose Tommaso als „Engel von Carditello“. Sarchiapone spricht einmal von „geschützter Rast“, die er bei dem Tierfreund genießt. Doch nachts wird der Prachtbau immer wieder von der Camorra geplündert. Pietro Marcello, der mit Laienspielern gedreht hat, montiert in seinen zwischen Realität, Traum und Märchen oszillierenden Film immer wieder dokumentarische Aufnahmen von Demonstrationen, die sich gegen das organisierte Verbrechen richten. Als Tommaso Cestrone, dem der Film gewidmet ist, an einem Weihnachtsabend stirbt, gerät das Büffelkalb in die Obhut von Pulcinella, dem Narr aus der Comedia dell’arte.
Doch in „Bella e perduta“ („Schön und verloren“) ist der einfältige Diener mit der Maske ein „Vermittler zwischen Lebenden und Toten“. Er führe „höhere Befehle“ aus und lausche den Toten, um mit den Lebenden zu sprechen. „Voller Vertrauen in jene Intelligenz, die alles beschließt, aber zu beschäftigt ist, um sich zu erklären“, erscheint Pulcinella zugleich als sanfter Streiter für die Bewahrung der Schöpfung. Der Antagonismus zwischen Naturschönheit sowie menschlicher Gier und Zerstörungswut, zwischen Bewahrung der Tradition und Geschichtsvergessenheit zieht sich durch den Film. Als Sarchiapone schließlich bei dem Dichter Gesuino landet, der D’Annunzio zitiert und selbst Kunstschätze raubt, und überdies Pulcinella sich für ein irdisches Dasein entscheidet, ist das Los des abhängigen Tieres besiegelt. Gegen diese Ausweglosigkeit beschwört Pietro Marcello in seiner bukolischen Filmerzählung in freier Form, dabei auf bewegende Weise musikalisch getragen von u. a. Respighi, Donizetti und Scarlatti, die Schönheit der Natur und die Liebe zum Leben.