Das Problem von vielen Ensemblefilmen: Ständig müssen sich irgendwelche Wege kreuzen. Alles muss irgendwie zusammenhängen und im besten Fall überraschend sein. Trotzdem soll man als Zuschauer die Tüftelei nicht bemerken, die erst eins zum anderen kommen lässt.
Auch das Drehbuch von „Belgrad Radio Taxi“ präsentiert ziemlich ironiefrei Kaskaden von Zufällen und setzt dabei auf Melodramatik statt auf Märchenhaftigkeit, so dass die nach Aussage von Autor und Regisseur Srdjan Koljevic realistisch gemeinte Geschichte so konstruiert wirkt, wie sie naturgemäß ist. Dazu kommen Figuren, die nicht immer nachvollziehbar agieren und bisweilen mysteriöse Entscheidungen treffen. Dies soll gewiss kein Plädoyer für eindeutig determinierte Charaktere vom Reißbrett sein, aber hier fehlt es dem Film schlichtweg an Konsequenz. Denn obwohl Koljevic versucht, sich nicht entlang ausgetretener Pfade zu bewegen und viele Ideen in seinen Film packt, bemüht er doch mehr als nur ein Klischee.
Das Leitmotiv des Films ist eine Brücke, die das alte Stadtzentrum Belgrads mit der Neustadt verbindet. Ein andauernder Stau erschwert den Übergang auf die andere Seite. Die Figuren, die Stellvertreter der serbischen Gesellschaft sein sollen, stecken nicht nur im Stau fest, sondern obendrein in verfahrenen persönlichen Situationen.
Aus einem Radiosender dudeln fröhliche serbische Schlager, während die Autos wie immer auf der Brücke warten müssen. Mit blutig geschlagener Nase, ein Baby im Arm, sitzt eine Frau im Taxi. Da macht der missgelaunte Fahrer eine verhängnisvolle Bemerkung: Sie solle bloß nicht die Polster ruinieren. Die Frau steigt aus, springt in den Fluss und lässt das Baby zurück. Dieses schockierende Ereignis verändert die Leben dreier Menschen, deren Wege sich – da haben wir es – schicksalhaft immer wieder kreuzen werden. Der Taxifahrer Gavrilo (Nebojsa Glogovac), ein Flüchtling aus Bosnien, will keinen Ärger mit der Polizei. Er meldet den Vorfall nur anonym und nimmt das Baby widerwillig mit zu seiner einzigen Vertrauten, einer Hure mit Herz. Die Lehrerin Anica (Anica Dobra) fühlt sich durch die Szene auf der Brücke an den Unfalltod ihres Sohnes erinnert und lässt kurzerhand an diesem Tag den Unterricht ausfallen. So kann sie auch den Avancen entgehen, die ihr einer ihrer jungen Schüler macht. Spontan schließt sich ihr die Apothekerin Biljana (Branca Katic) an, die beim Anblick der springenden Frau ihren aggressiven Verlobten sitzen ließ. Auch sie hat vor vielen Jahren jemanden verloren, den sie liebte.
Die drei Hauptfiguren, alle auf gewisse Weise in ihrer Vergangenheit gefangen, werden nun plötzlich gezwungen, den Blick in die Zukunft zu richten. Für sie ergeben sich neue, ungewöhnliche Beziehungen, die einerseits Probleme mit sich bringen, andererseits aber auch Entscheidungen erzwingen, vielleicht sogar alte Verwicklungen lösen können. Die letzten Tage des Schlagersenders, der abgeschaltet werden soll, bilden eine Art musikalischen Countdown und strukturieren den Film.
Die „Mischung aus ernsten, dramatischen Themen und leichtem Ton mit warmem Humor“, die Srdjan Koljevic anstrebt, gerät ihm leider nicht ganz ausgewogen. Ab und an gibt es zwar schön lakonisch inszenierte Details, aber meistens ist der Humor wenig subtil, hin und wieder chauvinistisch, und oft steht er im Widerspruch zur angestrebten Dramatik. Eine seltsame Pointe im Finale lässt den Film sogar fast zur Farce werden und fällt als krasser Tonbruch auf. Die politische Dimension des Films dagegen bleibt äußerst vage.
Das alles dürfte Freunde tragikomischer bzw. melodramatischer Liebesreigen aber nicht unbedingt abschrecken, von denen es einige zu geben scheint: „Belgrad Radio Taxi“ ist als „The Woman with a Broken Nose” überaus erfolgreich auf Festivals gezeigt worden. Der Film erhielt einige Auszeichnungen und teils begeisterte Reaktionen vor allem in Serbien. Möglich, dass einiges an Subtilität wie so häufig im Synchronstudio verloren gegangen ist.