Zwei Mädchenmannschaften spielen American Football. Die jungen Frauen, überwiegend schwarze Einwandererkinder, wirken in ihrem mit Pads und Schonern ausgestopften Sportdress wie Kriegerinnen. Derart maskulinisiert, wütend und ehrgeizig werfen sie ihre Körper in den Kampf um den ovalen Ball. Ihre fließenden, geschmeidigen Bewegungen, in Zeitlupe stilisiert festgehalten und segmentiert sowie in musikalische Endlosschleifen verwoben, verdichten sich zu einem hymnisch-träumerischen Clip. Bis der Jubel der Siegerinnen, vermischt mit den Gratulationen der Unterlegenen, sich allmählich in einem allgemeinen Stimmengewirr auflöst. Dessen freudige Ausgelassenheit dauert noch an auf dem abendlichen Heimweg in eine der Pariser Banlieues, verstummt dann aber abrupt, als sie in der Nähe ihres Wohnblocks auf Gruppen herumlungernder junger Männer treffen und sich schließlich nach und nach voneinander verabschieden.
Céline Sciamma beginnt ihren bemerkenswerten Film „Bande de filles“, in dem sie sich (nach „Water Lilies“ und „Tomboy“) erneut mit dem Thema Adoleszenz und der Konstruktion von Identität beschäftigt, mit einem Bild weiblicher Stärke, Freiheit und Gemeinschaft. Das alles wird mehr oder weniger einkassiert, wenn die 16-jährige Protagonistin Marieme (Karidja Tourè) nach dem Sport die Wohnung ihrer Familie betritt, wo sie mit zwei jüngeren Schwestern, einem älteren Bruder und der Mutter lebt. Diese arbeitet als Putzkraft, der Vater ist abwesend und so gibt Mariemes Bruder unmissverständlich und brutal den Ton an. Unter diesem Macho-Regiment verstummt die Freude der Mädchen, strebt jede ihrer Bewegungen und Äußerungen ins möglichst Unauffällige. Selbst ihre Zuneigung zu dem gleichaltrigen Ismaël (Idrissa Diabaté) muss Marieme verstecken, weil dieser mit ihrem Bruder befreundet ist. Als sie schließlich wegen mangelhafter Leistungen auch noch die Schule verlassen muss, erfährt ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Anerkennung einen erheblichen Rückschlag.
„Ich will normal sein“, schleudert Marieme noch der Lehrerin entgegen, bevor sie von einer coolen Mädchen-Gang aufgefangen und aufgenommen wird. Deren Styles und Moves, körperliche Inszenierungen und Posen, provozierenden Sprüche und respekteinflößend konfrontative Art faszinieren die junge Frau, geben ihr Halt und Mut – und spiegeln eine ganz andere Form von „Normalität“. Fortan nennt sich Marieme „Vic“ (für Victory), wechselt die Klamotten und folgt dem Motto ihrer Anführerin „Lady“ (Assa Sylla), die eigentlich Sophie heißt: „Du musst das tun, was du willst.“ Und so ziehen die Mädchen als Clique durch Einkaufspassagen, begehen kleinere Diebstähle, liefern sich Wortgefechte und Prügeleien und hängen in gemieteten Hotelzimmern ab, die als Refugien und Gegenwelten ihrer geheimen Sehnsüchte und verschworenen Phantasien fungieren. In einer der schönsten und intensivsten Szenen sehen wir sie dort, wie sie, glamourös gestylt und in blaues Licht getaucht, zu Rhiannas „Diamonds“ ausgelassen tanzen und dabei ihren tristen Alltag transzendieren.
Céline Sciamma erzeugt in ihrem Coming-of-Age-Drama mit solchen Stilisierungen immer wieder Durchbrüche in eine andere Realität, in der die Mädchen auf ihrer Suche nach Orientierung Bilder von sich selbst entwerfen oder erträumen. Um den Freiheitsdrang ihrer jugendlichen Heldinnen möglichst authentisch einzufangen, lässt Sciamma die Laienspielerinnen im vorgegebenen Rahmen der Erzählung improvisieren. Daneben hat sie für ihre gemeinschaftlichen, gewissermaßen raumgreifenden Aktionen das Cinemascope-Format gewählt. So ist „Bande de filles“ trotz seiner Darstellung soziokultureller Ausweglosigkeit, die Marieme nach einer kurzen „Karriere“ als Drogendealerin ziemlich isoliert und perspektivlos zurücklässt, keine typische Milieustudie. Vielmehr beschwört der Film noch in Mariemes Negationen („Ich will dieses Leben nicht!“, lautet etwa ihre Antwort auf Ismaëls Heiratsantrag.) und trotz aller Unbestimmtheit, eine Lust an der Entgrenzung sowie die Notwendigkeit einer genuin weiblichen Gegenwelt.