„Not the End“ verheißt die Texttafel am Schluss des Films und wenn man so will, muss man diesen kurzen Verweis auf eine Realität außerhalb der Kinoleinwand bereits als brechtschen Anteil in diesem Fritz-Lang-Film identifizieren, als Verfremdungseffekt mit didaktischem Furor. Denn das reale Attentat auf Reinhard Heydrich, stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren und Leiter des Reichssicherheitshauptamts im Jahr 1942 in Prag und seine Folgen für die tschechische Bevölkerung bilden den erzählerischen Mittelpunkt für die 1943 uraufgeführte Gemeinschaftsarbeit der zwei Exilanten. Lang bezeichnete „Hangmen also die“ später als seinen wichtigsten anti-nationalsozialistischen Film. Brecht, der das Drehbuch verfasste und ohnehin gegenüber Hollywood eine rege Abneigung hegte, wollte hingegen seine einzige bis zur Produktion gereifte Mitarbeit an einem amerikanischen Film am liebsten aus dem Gedächtnis streichen.
Brechts Zerwürfnisse mit Fritz Lang und dem ebenfalls aus Deutschland geflohenen Produzenten Arnold Pressburger sind im 44-seitigen DVD-Booklet, das Gespräche mit Lang und Komponist Hanns Eisler, zum größten Teil aber Auszüge aus Brechts Arbeitsjournal sowie zeitgenössische Filmkritiken enthält, reichhaltig dokumentiert. Unrühmliches Schlusslicht bildete der letztlich sogar erfolgreiche Versuch des hinzu beorderten Drehbuchautors John Wexley, der eigentlich in erster Linie als Brechts Übersetzer fungierte, in den Credits als alleiniger Urheber genannt zu werden.
Brecht notiert in seinem Journal über Lang: „Die Veränderung, die mit ihm in der Nähe der 700.000 $ vorgeht, ist bemerkenswert. Er sitzt, mit den Allüren eines Diktators und alten Filmhasen, hinter seinem Bossschreibtisch, voll von Drugs und Ressentiments über jeden guten Vorschlag, sammelnd „Überraschungen“, kleine Spannungen, schmutzige Sentimentalitäten und Unwahrhaftigkeiten und nimmt „licenses“ für das Boxoffice.“ Die Auseinandersetzungen sind jenseits von Honorarstreitereien, aus denen die ökonomische Not spricht, zugleich ein Kampf um die Flaschenpost, die Brecht mit dem Film aussetzen wollte, ein Versuch, ästhetische und politische Überzeugungen in die seiner Ansicht nach vollkommen konfektionierte Warenproduktion Hollywoods zu transponieren.
Man merkt dem Resultat deutlich an, dass irgendwo während des Arbeitsprozesses die Politik der kriminalistischen Paranoia-Erzählung weichen musste. Die fiktive Geschichte um Heydrichs Attentäter Dr. Svoboda, der bei der Tochter aus bürgerlichem Hause Mascha Novotny (deren Vater, ein angesehener Professor, ohne ihr Wissen ebenfalls der Widerstandsbewegung angehört) Unterschlupf findet, zehrt von einer Motivik, die Langs Repertoire entspringt. Aus Dr. Mabuse wurde Inspektor Gruber von der Gestapo, der sich mit sardonischer Hingabe auf Spurensuche begibt – ein gedrungenes Männchen voller höflich-sadistischem Eifer, etwas dekadent und allgegenwärtig: Dreht sich eine Figur in ihrer leeren Zelle unversehens um, sitzt er plötzlich da, diabolisch lächelnd über seine Psychospiele. Der Mob, der in „M“ (1931) den Kindermörder vors Tribunal stellt, wandelt sich unter positiven Vorzeichen zur tschechischen Bevölkerung, die in konspirativer Zusammenarbeit der Gestapo einen Spitzel und Nazikollaborateur aus der Widerstandsgruppe als vermeintlichen Attentäter Heydrichs überführt. Und der Faschismus, der sich in „M“ bereits in der moralischen Ambivalenz der mechanischen Gemeinschaft aus Exekutive, Bürgertum und Schattenwelt ankündigte, knechtet in „Hangmen also die“ als grausame Besatzungsmacht vor allem die Autonomie des tschechischen Volks. Antisemitismus gibt es nicht, und obwohl er in Brechts ursprünglichem Script durchaus in Erscheinung trat (etwa bei einer Gruppendiskussion zwischen inhaftierten Geiseln der Gestapo, die den Eindruck eines kollektiven Opferdaseins unterminieren sollte), wurde er von Lang getilgt – zugunsten einer homogeneren Konzeption eines aufrührerischen Volkes, dass sich in einem gemeinsamen, wenn auch schließlich vergeblichen Kraftakt gegen seine Unterdrücker erhebt.
Heute würde man diese Nivellierung charakteristischer Merkmale des Faschismus wohl als totalitaristisch bezeichnen. Retrospektiv zeigt sich jedenfalls, dass die antifaschistischen Kriegserklärungen, mit denen 1942 auch Hollywood seine Offensive gegen Nazideutschland begann, ohne viel Mühe auf jedes weitere politische System umgemünzt werden konnten. In dieser Hinsicht ist Langs Film mehr noch als das antifaschistische Fanal, wozu ihn Teile der Filmgeschichtsschreibung erklärten, eine propagandistische Fingerübung, deren politische Universalität Lang später mit seherischen Fähigkeiten verwechselte: „Es ging mir auf, dass dieser Film, der den Kampf einer ganzen Nation gegen die faschistischen Eindringlinge in Prag zeigte und der mit dem Schluss-Titel „Das ist nicht das Ende“ aufhörte, heute einen prophetischen Charakter hat. Nur ist der „Ort der Handlung“ heute woanders gelagert, nur kommen die Eindringlinge jetzt von der anderen Seite …“