Wer ist Angèle? Lange Zeit weiß man nur wenig über die schöne, von Clotilde Hesme gespielte Titelheldin in Alix Delaportes preisgekröntem Debütfilm „Angèle und Tony“. Dass sie 27 Jahre alt ist, ohne Arbeit und feste Bleibe erfährt man zwischen den Zeilen; dass sie den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen hat und ihr kleiner Sohn Yohan (Antoine Couleau) bei den Schwiegereltern lebt, wirft Schatten auf ihre Vergangenheit. Offensichtlich war Angèle im Gefängnis, auch wenn man das ihrem schüchternen, zarten Wesen, ihrer zögerlichen, abwartenden Haltung und ihrem stets frischen Gesicht nicht recht abnimmt. Doch trotz aller Unbestimmtheit hat ihre Sehnsucht ein handfestes Ziel.
Gleich die erste Szene des Films, der klischeebeladen und etwas zäh eine verstockte Liebesgeschichte erzählt, zeigt Angèle beim schnellen Sex mit einem Fremden. Es ist diese offensive, pragmatisch eingesetzte Körperlichkeit, die den schweigsamen Fischer Tony (Grégory Gadebois) zunächst zurückstößt. Doch Angèle, die einen Mann und geregelte Familienverhältnisse braucht, um ihren Sohn zurückzubekommen, läuft ihm nach und drängt sich auf. Dabei wirkt sie in dem von Männern dominierten Milieu der Fischer im normannischen Küstenort Port-en-Bessin regelrecht deplatziert. Wie ein Fremdkörper bewegt sie sich durch die Szenen, seltsam ungelenk bleiben ihre Annäherungs- und Integrationsversuche als Fischverkäuferin, die ihre Gefühle entdeckt.
Immer wieder sieht man Angèle auf einem geklauten Fahrrad, wie sie angestrengt in die Pedale tritt. Was die Regisseurin Alix Delaporte hier metaphorisch redundant verdichtet, davon erzählt sie vorhersehbar und wenig überraschend in ihrem Film: Vom beschwerlichen Unterwegssein einer Frau zu sich selbst und zu den anderen. Doch den Figuren fehlt das Fleisch, ihre Gefühle hängen in der Luft, der Blick auf das soziale Milieu ist oberflächlich und die Lücken in der Erzählung sind leider leer. Bleibt die Botschaft, man müsse die Taschenkrebse von hinten packen, damit sie nicht zwicken.