American Gangster

(USA 2007; Regie: Ridley Scott)

Gelobt sei, was Geld bringt

Nach dem Tod seines Arbeitgebers und Mentors, des Gangsters Bumpy Johnson (Clarence Williams III), schwingt sich Frank Lucas (Denzel Washington) mit marktwirtschaftlicher Geschäftsphilosophie und strengem Arbeitsethos zum Drogenzar in New York auf. Wie ein Großhändler schaltet er Gewinn mindernde Mittelmänner aus, indem er sein Heroin direkt vom Hersteller in Kambodscha kauft und so Topqualität zu Spottpreisen anbieten kann. Damit stürzt er nicht nur Harlem – und damit vor allem „seine“ Leute – in die Drogensucht, er erzürnt auch das organisierte Verbrechen und natürlich die Polizei. Detective Richie Roberts (Russell Crowe), selbst ein besessener Vertreter seiner Sache, der zu zweifelhaftem Ruhm gelangt, als er eine Million Dollar beschlagnahmt und einreicht, anstatt sie in die eigene Tasche zu stecken, beginnt mit einer kleinen Spezialeinheit gegen Lucas zu ermitteln …

Ridley Scott wird weniger als großer Visionär als vielmehr als cleverer Projektmanager in die Filmgeschichte eingehen. Ohne große Inspiration, aber mit unleugbarem visuellem Gespür fertigt er in regelmäßigen Abständen seine filmischen Großprojekte und hat es so geschafft, vielerorts als „Meisterregisseur“ bezeichnet zu werden. So ist dann auch in 'American Gangster' schnell klar, was ihn an Lucas’ Geschichte fasziniert hat: Den Schwerverbrecher zeichnet er als Vorläufer des heutigen „Global Players“, dessen Legitimation einzig die erwirtschafteten Gewinne sind. Wenn Bumpy Johnson zu Beginn – wir schreiben die späten Sechzigerjahre – das Aussterben des Einzelhandels beklagt, ist die Anspielung auf gegenwärtige Zustände nicht zu übersehen, genauso wenig wie der Einfluss Lucas’schen Geschäftsgebarens etwa auf die Popkultur: 'American Gangster' ist vor allem in der Hip-Hop-Landschaft begeistert aufgenommen worden, die ja ebenfalls von einer kapitalistischen Lebensphilosophie geprägt ist, aber letztlich immer dem Ziel verpflichtet, das Ghetto hinter sich zu lassen, die eigenen Leute mit einem gewissen Maß an Wohlstand auszustatten. Jay-Z hat sich von Scotts Film zu einem Konzeptalbum gleichen Titels inspirieren lassen, zahlreiche Mixtapes werden mit einem vom Filmplakat inspirierten Artwork versehen, die Parallelen zwischen Rapper und Drogendealer herausgestellt. Die Parallelen sind in Scotts Film tatsächlich eindeutig: Wenn Lucas mit dem selbst verdienten Vermögen seine ganze Sippe aus dem ruralen North Carolina in eine Luxusvilla in New York verfrachtet und seine Brüder und Cousins in sein Geschäft integriert, sie zu Teilhabern macht, fühlt man sich nicht zu Unrecht an zahlreiche Rapper erinnert, die ihre Homies bei ihren Plattenfirmen unterbringen und so an ihrem Erfolg teilhaben lassen konnten. Ridley Scott selbst scheint sich dieser Parallele nicht nur bewusst gewesen zu sein, sie wird ihm zum Marketingschachzug: Zahlreiche populäre Rapper treten in Nebenrollen auf, von RZA über Common bis hin zu T. I. geben sie sich die Klinke in die Hand und machen 'American Gangster' zum filmischen Manifest des Hustles. Das macht Scotts Film aber ideologisch hochgradig fragwürdig: Der Mörder wird hier zum Wohltäter mit kleinen Schwächen verharmlost, der sich reinwäscht, indem er die korrupten Bullen – die eigentlichen Schurken (hallo, Paranoia!) – in den Bau bringt. „Geld stinkt nicht“: Von diesem Diktum kann sich 'American Gangster' nur halbherzig distanzieren.

Leider stellt Scotts eigener protestantischer Arbeitseifer dem durchschlagenden Erfolg seines Films auch formal ein Bein. Die strenge Zweiteilung des Films, die ihn zur Hälfte zum Gangster-, zur anderen zum Copfilm macht, legt 'American Gangster' von Anfang an in Ketten. Der Aufstieg Lucas‘ wird ebenso mit den tausendfach gesehenen Plotversatzstücken (erster Erfolg, die entscheidende Geschäftsidee, der langsame Kontrollverlust, die Entfremdung von den eigenen Wurzeln) abgehandelt wie Roberts’ Jagd auf das Phantom (Ärger mit den eigenen Leuten, der verständnisvolle Chef, Verlust des Partners, Probleme mit der Familie). So kommt der Film nie über die erneute Bestätigung des längst Bekannten hinaus: Das Verbrechen muss irgendwann gesühnt werden, der Polizist ist das Spiegelbild des Gangsters, der Besessene genießt nur ein kurzes weltliches Glück. Man hat nach den 160 Minuten 'American Gangster' das Gefühl, viel Aufbau um einen moralisch angefaulten Kern und nur wenig Payoff bekommen zu haben. Scott erzählt zwei Geschichten und hat am Ende einen halben Film. Das ist auch nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu wenig.

Dieser Text erschien zuerst in: Remember it for later

Benotung des Films :

Oliver Nöding
American Gangster
(American Gangster)
USA 2007 - 156 min.
Regie: Ridley Scott - Drehbuch: Steven Zaillian - Produktion: Ridley Scott, Brian Grazer - Bildgestaltung: Harris Savides - Montage: Pietro Scalia - Musik: Marc Streitenfeld - Verleih: Universal - FSK: ab 16 Jahren - Besetzung: Denzel Washington, Russell Crowe, Josh Brolin, Chiwetel Ejiofor, Carla Gugino, John Hawkes, Ted Levine, Yul Vazquez, RZA, Cuba Gooding Jr., John Ortiz
Kinostart (D): 15.11.2007

DVD-Starttermin (D): 30.11.-0001

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt0765429/