Sie ist erst 15, doch der Tod steht ihr gut. An den Wänden von Charleens Kinderzimmer hängen Poster diverser Rockstars, die Suizid verübten. Und wenn es regnet, dann hört das Girlie schwermütige Botschaften auf sich herabtropfen. Ihr Berufspraktikum absolviert sie, natürlich, beim Bestatter, der auf den abendlichen Gruß „Bis morgen“ stilecht antwortet: „Wer weiß?“ Auch mit ihrer Familie steht es nicht zum Besten. Der Vater ist irgendwann durchgebrannt, weil er Musiker werden wollte. Und ihre Mutter wird gespielt von Heike Makatsch. Da kann man schon irgendwie verstehen, dass das Mädchen mit den Fön in die Badewanne geht.
In seinem Debütfilm, bei dem er auch am Drehbuch partizipierte, erzählt Mark Monheim die wechselvolle Geschichte eines Selbstmordversuchs, der eine labile 15-Jährige auf Umwegen ins Leben zurück führt. Dem Filmemacher schwebte eine freche Teenie-Komödie vor, die die Fallstricke biederer Pädagogik mit schwarzem Humor zu unterlaufen versucht. In den besseren Momenten gelingt das. Statt im Jenseits landet die Lebensmüde nach stümperhaft gescheitertem Suizidversuch nämlich im Krankenhaus. Als registrierte Selbstmordkandidatin müsste sie eigentlich schnurstracks in die Psychiatrie, wo sie mit Pillen voll gestopft wird. Glücklicherweise kennt ihre Mutter den Krankenhausarzt, der sie an einen eigenwilligen Psychiater verweist.
Nikolaus Frei als unkonventioneller Seelenklempner, der während der Sitzungen schon mal ein Stück Torte verdrückt, zählt zu den Lichtblicken dieses Films, der leider in den Detailbeobachtungen nicht ganz zu überzeugen vermag. In der Rolle von Charleens Mutter ist die tranige Heike Makatsch zu sehen, die als gefühlte Christine Neubauer in einem ansehnlichen Haus lebt – obwohl sie ihr Einkommen nur als „Ebay-Powesellerin“ verdient. Sie wirkt dabei so unglaubwürdig wie Aurel Manthei als leise tretender Altrocker-Vater, der irgendwann wieder auftaucht und in seinem Kombi vor dem Vorgarten nächtigt. Eine hölzern konstruierte Konstellation, die einen an einschlägige Fernsehfilme zur Hauptsendezeit erinnern.
Dennoch. „About a Girl“ überrascht mit Szenen, die das düstere Thema von der Seite anschneiden. In der sich anbahnende Liebesbeziehung zwischen Charleen und Sandro Lohmann als nerdigem Streber gelingen anrührende Momente. Nett anzusehen sind auch die Szenen, in denen Charleens kleiner Bruder nachsehen muss, ob im Zimmer der potentiellen Selbstmordkandidatin alles im grünen Bereich ist. Der Kleine hat aber keine Lust, sich den biestigen Launen der großen Schwester auszusetzen und versucht sich jedes Mal für sein eindringen rechtfertigen. Dabei ist dem armen Jungen schlimmer zumute als der vermeintlichen Todeskandidatin.
Solche witzigen Umkehrungen haben es in sich. Der Film gewinnt hier durch seine Bescheidenheit, die ihm in anderen Aspekten leider abgeht. So ist bereits der Titel ein Verweis auf den gleichnamigen Song jener legendären Popgröße Kurt Cobain, der bekanntlich Hand an sich legte: Geht es nicht eine Nummer kleiner? Überdimensioniert erscheint auch die Besetzung der Hauptrolle mit Jasna Fritzi Bauer. Sie zeigt eine beeindruckende Darstellung, doch genau das ist das Problem. Die inzwischen 26-Jährige kann (trotz ihrer kindlich-pausbäckigen Gesichtszüge) nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie zu reif und zu reflektiert erscheint, um das heillose Gefühlschaos einer 15-Jährigen glaubhaft zu verkörpern.
Das ist schade, denn die Geschichte ist eigentlich interessant. Es geht um die spannende Thematik der Initiation. In primitiven Kulturen ebenso wie in Industriegesellschaften muss der Novize eine symbolische Todeserfahrung durchleben, um die Kindheit hinter sich zu lassen und als sexuelles Wesen wiedergeboren zu werden (eine vulgäre Version davon ist die Mutprobe). Charleen hat das mit dem Tod allerdings etwas zu wörtlich genommen. Streckenweise ist das originell erzählt, und man möchte dranbleiben. Doch jedes Mal, wenn man sich eingelassen hat, folgt schon der nächste filmische Fauxpas. So will Charleens Vater am Ende seine Gefühle ausdrücken, doch ihm fehlen die Worte. Also greift er zu seiner alten E-Gitarre, was im Prinzip OK ist. Allerdings befinden beide sich im Zimmer der kürzlich verstorbenen Großmutter. In dem, wie es der Zufall will, gerade ein – angeschalteter – Gitarrenverstärker steht, in den der Vater ganz beiläufig die Gitarre einstöpselt. In Momenten wie diesen verspielt der Film seine Sympathien.