Idylle bedeutet gemeinsam in schöner Landschaft zu schweigen. Am Strand von Pantelleria zum Beispiel. Mit Sonnenbrille im Haar und Schlammpackung auf der Haut erholt sich Sängerin Marianne (Tilda Swinton) mit ihrem Freund Paul (Matthias Schoenaerts) hier von einer Stimmbandoperation, während die Hitze erbarmungslos jedes störende Geräusch unterdrückt. Doch so wie der dominante Spritzer auf David Hockneys Gemälde „A Bigger Splash“ von 1967 die Flächigkeit des Bildes zerreißt, legt sich Harry Hawkes (Ralph Fiennes) mit Tochter Penelope (Dakota Johnson) im Schlepptau wie ein lärmender Schatten aus der Vergangenheit in Luca Guadagninos gleichnamigem Film über das friedliche Paradies. Einst war Harry – das wird in einigen Rückblenden deutlich – Mariannes Produzent und mit ihr liiert, hat sie später mit dem wortkargen Paul bekannt gemacht. Nun will er sie zurück erobern.
Harry ist bei Guadagnino das, was in Hockneys Gemälde unsichtbar bleibt und dort in der Frage „Wer springt da eigentlich?“ einen analytischen Ausgangspunkt bildet. Als einziger des ungleichen Quartetts kann er vom kühlen Nass nicht genug bekommen und sorgt mit seinen bis zum Exzess wiederholten und sehr beherzten Sprüngen in den Pool zu jeder Tages- und Nachtzeit für kräftige Spritzer. Und so wie Hockneys Bild die Frage aufwirft, in welchem Verhältnis die eruptive Kraft des Spritzers zum strengen quadratischen Format und zur Flächigkeit des Farbauftrages steht, zwingen Harrys verbale Entladungen alle Beteiligten aus der schweigsamen Deckung heraus in die Reflexion über die eingegangenen Beziehungen. Entspricht also die Flachheit in der Darstellung der Umgebung in David Hockneys Gemälde der Wortlosigkeit des Paares Marianne-Paul, so stemmen sich Harrys „Spritzer“ vehement gegen die, in seinen Augen, Flachheit der bürgerlichen Lebenswelt des angeblich glücklichen Paares.
Indem er den Plot und sein Figureninventar im Vergleich zur filmischen Vorlage „Der Swimmingpool“ (FRK/IT 1969; R: Jacques Deray) mit formalen Spritzern augenzwinkernd dekonstruiert, versucht Guadagnino die emotionale Leere und Beziehungslosigkeit ins Zentrum der Betrachtung zu rücken. Zooms und Großaufnahmen des klassischen Kriminalfilms lenken die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf scheinbar wichtige Details, ohne dass diese Spuren weiterverfolgt werden. Auch die ab und an in die Handlung ragenden Bilder von Flüchtlingen lassen sich unter diesem Blickwinkel als Spritzer auf die dekadente Oberflächlichkeit der Protagonisten lesen, die im Angesicht der angespülten Menschen schweigend verharren. Die deutlichsten Spritzer resultieren aus der Verweigerung plakativer erotischer Momente. Swinton hat in ihrem androgynen Wesen nichts mehr von der unnahbaren Romy Schneider und Dakota Johnson ist in der Rolle von Harrys Tochter nicht die typisch laszive Lolita.
Allein, was dem bigger splash durch Reduktion und Konzentration im Bildaufbau von Hockneys Gemälde gelingt, verliert sich bei Luca Guadagnino in allzu gewollter Virtuosität. Der Anlauf für den Sprung ist einfach zu ambitioniert für all die kleinen Spritzer, die einem „A Bigger Splash“ dann zaghaft neckend mit den Fingern ins von der Hitze ausgetrocknete Gesicht schnippt. Die formalen Wege, die Guadagnino immer mit Blick auf das Gemälde und die filmischen Vorlage beschreitet, um sie kurz darauf wieder zu verlassen, werden durch eine mäßige dramaturgische Kraft zusammengehalten. So gegenläufig der Regisseur seine Figuren im Vergleich zur Vorlage von 1969 auch inszenieren will, interessanter wird dadurch kaum etwas. Das Beharren auf der Form beschädigt ihre Dreidimensionalität genauso wie die in den Beziehungsgefügen schlummernde Spannung. Fleißig schweigend und gestikulierend kann Swinton ihrer Figur nur wenig Aura verleihen, wirkt im Gegenteil unfreiwillig schrill bis arg bemüht. Dakota Johnson wiederum fehlt dann doch die Ambivalenz einer selbstbewusst mit der eigenen Sexualität umgehenden Ludivine Sagnier, die Francois Ozons Interpretation des Stoffes („Swimming Pool“; FRK 2003) erst so wunderbar machte. Selbst Matthias Schoenaerts bleibt in der Rolle des melancholischen Dokumentarfilmers ohne jeden (und ihm sonst so eigenen) Charme. Einzig Ralph Fiennes weiß das Maximale aus seiner Rolle herauszuholen, bekommt vom Drehbuch aber auch die besten Vorlagen.
So ist die selbstbewusste Behauptung der Autorenschaft in der Setzung des Regisseurnamens vor den Filmtitel trotz der großartigen Idee, die thematischen Grundzüge des Gemäldes von David Hockney kunstvoll in den Film hinüber fließen zu lassen, etwas großspurig geraten. „A Bigger Splash“ scheitert am Tunnelblick auf die eigene Form. Zu viele thematische Schlenker, zu häufiges Augenzwinkern angesichts des Krimiplots, dazu die recht ausladend inszenierte Dekonstruktion der Figuren und die lose Einbindung der Flüchtligsthematik führen zu rasantem Spannungsabfall. Die Ohrfeige am Schluss, als letzter Reflexion auslösender Spritzer, kommt somit ein wenig auch wie die Erlösung von einen Film, der sich wie ein Sommerurlaub anfühlt, in den man das falsche Buch mitgenommen hat. Da liegt man mit Sonnenbrille im Harr am heißen Strand und nach den ersten fünfzig Seiten wird klar, dass das Buch sich arg dahinschleppen wird und die kommenden Tage recht langweilig werden könnten, wenn nicht schnell eine andere Beschäftigung gefunden wird.
Hier gibt es eine weitere Kritik zu ‚A bigger Splash‘.