Eigentlich bilden Ana, Rodolfo und Graciela eine bürgerliche Kleinfamilie im heutigen Montevideo. Doch der uruguayische Regisseur Pablo Stoll Ward zeigt die Protagonisten seines Films „3/Tres“, wie der Titel bereits andeutet, als vereinzelte Individuen, die sich längst aus dem Familienverbund entfernt haben. Unbestimmte Fliehkräfte dividieren sie auseinander. Die Parallelmontage ist deshalb das stilistische Mittel der Wahl, mit dem Pablo Stoll Ward den Wegen seiner Figuren durch einen unspektakulären, eintönigen Alltag folgt, dessen graue Realität immer wieder leicht entrückt oder schwebend erscheint. Ein distanziertes Verhältnis und eine gestörte Kommunikation innerhalb des in Auflösung begriffenen Familiengefüges bilden dabei nur den negativen Ausdruck einer Sehnsucht nach Liebe und Zusammengehörigkeit.
Kein Wunder steht auf dem Stoffplan von Anas (Anaclara Ferreyra Palfy) Geschichtsunterricht der kalte Krieg. Doch meistens bleibt die hübsche Schülerin, deren Bonus für gute Leistungen eingangs noch einiges Gewicht hat, dem Unterricht unentschuldigt fern. Relativ gleichgültig und lustlos lässt sie sich durch die Tage treiben und wirkt dabei abtrünnig, ohne wirklich rebellisch zu sein. Beim Sex mit ihrem Freund gibt sie sich ebenso leidenschaftlich wie gefühllos. Ana will mehr und vor allem etwas anderes. Auch ihr Vater Rodolfo (Humberto De Vargas), ein unmotivierter Zahnarzt mit einem Sinn für Grünpflanzen, sucht, nachdem er sich von seiner Familie getrennt hat, nach etwas Fehlendem. Doch von seiner neuen Lebensgefährtin Alicia sieht der rührend zwangsneurotische Ordnungsfanatiker nur volle Aschenbecher; und so kehrt er immer öfter in die alte Wohnung, zu Tochter und Frau, zurück. Aber auch Graciela (Sara Bessio) ist meistens abwesend: Wenn sie nicht gerade als Stenographin arbeitet und dabei gegen ihre Müdigkeit ankämpft, besucht sie ihre alte, kranke Tante im Hospital und verliebt sich darüber in einen anderen Besucher namens Dustin.
Die unordentliche, vernachlässigte und ziemlich renovierungsbedürftige Wohnung der Familie wird dabei zum Sinnbild der Beziehungen ihrer Mitglieder. „Du bedeutest mir alles“, sagt Rodolfo einmal zu Ana, während er beginnt, die Wohnung instand zu setzen und sich dabei zu reintegrieren. Ein anderes Mal sieht er sich allein Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ an, während Mutter und Tochter ihre Liebhaber treffen. Ein lakonischer Erzählduktus und ein (filmischer) Blick für die Absurditäten des Alltags kennzeichnen Pablo Stoll Wards melancholisch getönte Komödie, in der die Musik (u.a. von Iggy Pop und Reverb) eine prominente Rolle spielt. Auch wenn die inhaltlichen Parallelen und Entsprechungen mitunter etwas zu konstruiert erscheinen mögen, sind es doch gerade diese bewussten Setzungen und elliptischen Verknüpfungen, die „3/Tres“ ein paradoxes Flair, einen skurrilen Charme und nicht zuletzt einen verhaltenen Humor verleihen.