Der Kontrast zwischen kleinstädtischer Enge und der Weite des atlantischen Ozeans grundiert Delphine und Muriel Coulins Film „17 Mädchen“ („17 filles“), den die beiden Schwestern in ihrer bretonischen, von Umbrüchen geprägten Heimatstadt Lorient gedreht haben. Es ist das Jahr, in dem die Marienkäferchen eine Invasion starten und die Natur gleich doppelt verrücktspielt. Denn nach und nach werden immer mehr minderjährige Mädchen absichtlich und auf Verabredung schwanger. Dass diese Schwangerschaften auch als Manifestation jugendlichen Widerstands gegen die beschränkte Erwachsenenwelt und ein vorgezeichnetes Leben zu verstehen sind, formuliert der Film mehr als Behauptung. Die sozialen Ursachen und familiären Anlässe – von der überforderten alleinerziehenden Mutter bis zum autoritären Gebaren der Lehrer und Eltern – sind nur angedeutet; stattdessen konzentrieren sich die französischen Filmemacherinnen in ihrem Coming-of-age-Film auf die Perspektive der Mädchen.
Deren ausgeprägt verschworenes Cliquenverhalten durchzieht dieses ebenso energiegeladene wie nachdenkliche Langfilmdebüt, dem tatsächliche Ereignisse zugrunde liegen, von Anfang an. Die 16-jährige Camille (Louise Grinberg), die erste Schwangere, ist inoffizielle Anführerin einer Bande von zunächst fünf Freundinnen, die den Schulsport schwänzen, in den Dünen kiffen und sich offensiv den erzieherischen Autoritäten verweigern. Dass sie andererseits auch Mitschülerinnen ausgrenzen, namentlich Florence (Roxane Duran), sagt viel über ihr Alter und noch mehr über ihre Sehnsucht nach Zusammengehörigkeit, Liebe und Solidarität. Denn es ist schließlich ausgerechnet die Außenseiterin Florence, die, vom Verlangen nach Freundschaft und Teilhabe getrieben, das utopische und zugleich kindlich-naive Streben der Mädchen nach Freiheit und Unabhängigkeit in Gang setzt.
„Jetzt habe ich einen Grund, etwas aus meinem Leben zu machen“, formuliert Camille ihre neugewonnene Perspektive. Da sie nach der Geburt des Kindes sowohl ein Leben in der Schule als auch eines zu Hause habe und darüber hinaus voraussetzungslos geliebt werde, verfüge sie über „200 Prozent Leben“. Der Anspruch, es besser zu machen als die eigenen Eltern, deren hilflose Reaktionen weitgehend schematisch gezeichnet sind, lässt die Mädchen von einer gemeinsamen Schwangeren-Wohngemeinschaft träumen. Immer wieder beschwören die Schwestern Coulin, unterstützt von einem rockigen Soundtrack, die unbändige Kraft der Jugend und ihre Lust an der Regelverletzung. In einer poetischen Spannung dazu stehen melancholische Momentaufnahmen, in denen die Mädchen, fotografiert im Ambiente ihrer Jugendzimmer, über sich selbst nachdenken. Verstärkt wird diese unterschwellige Unsicherheit noch durch Blicke auf Details von Körpern und Haut, die das Zerbrechliche und die Verletzlichkeit der Jugendlichen festhalten. Und so sind auch die märchenhaften Träume der siebzehn Mädchen nur eine schmerzliche Etappe aus der Zeit des Übergangs.