Peter Kern (13.2.1949 – 26.8.2015)

Der kompromisslos-radikale Autorenfilmer war ein aus der Zeit gefallenes Relikt
von Ulrich Kriest

Seine eigenen Filme blieben konsequent unter dem Radar einer größeren Film-Öffentlichkeit, aber den Mann dahinter, den „Total Filmmaker“ Peter Kern, den konnte man schwerlich übersehen. Mit seinem fulminantem Übergewicht setzte er sich auf Festivals in Szene, thronte im Frühstücksraum, wuchtete sich in die Kinosäle oder war einfach nur faszinierend präsent. Man kam mit ihm schnell ins Gespräch, musste dann allerdings im Gespräch aufmerksam sein und mit allem rechnen, denn Kern provozierte gern und redete sich in Rage. Der Wiener hatte dezidierte Meinungen zu den TV-Verantwortlichen, zu Österreich, zur Kulturpolitik im Allgemeinen und auch zur Filmkritik – und machte Talkshow-Auftritte gerne zu Spektakeln der liebevollen Streitlust.

Kern war als kompromisslos-radikaler Autorenfilmer ein Relikt, aus der Zeit gefallen. Er wusste das und spielte auch damit als zorniger Selbstdarsteller. Der Sohn einer Arbeiterfamilie sammelte erste Bühnenerfahrungen bei den Wiener Sängerknaben und auf dem Theater, bevor er in den 1970er Jahren zu einem profilierten Schauspieler-Gesicht des Neuen deutschen Films wurde. Entdeckt von Peter Lilienthal, drehte er mit Wenders („Falsche Bewegung“), Geißendörfer („Sternsteinhof“), Syberberg („Hitler-Ein Film aus Deutschland“), Bockmayer („Flammende Herzen“) und gehörte zwischen 1973 und 1978 zur Fassbinder-Entourage, spielte in „Faustrecht der Freiheit“, „Bolwieser“ und „Despair-Eine Reise ins Licht“. Gemeinsam mit Kurt Raab führte er Regie in dem legendären Trashfilm „Die Insel der blutigen Plantage“, produzierte Schroeters „Der lachende Stern“ und spielte unter Zadeks Regie in „Die wilden Fünfziger“. Kern arbeitete als Darsteller mit Monika Treu, Ulrike Ottinger und Werner Schroeter, arbeitete als Regisseur, Drehbuchautor, Cutter und Produzent an eigenen Projekten wie „Crazy Boys-Eine Handvoll Vergnügen“, „Gossenkind“ oder „Ein fetter Film“, in denen er seine Homosexualität und seinen Körper offensiv zum Thema machte. In Christoph Schlingensief fand Kern dann einen Geistesverwandten, spielte in dessen Filmen „Terror 2000“ und „United Trash“ mit und war auch an Schlingensiefs Theaterarbeiten beteiligt. Mit durchaus vergleichbarer Leidenschaft, Unmissverständlichkeit und Chuzpe drehte Kern in steter Folge Low-Budget-Spielfilme, die immer auch Interventionen waren: „Haider lebt – 1. April 2012“, „Donauleichen“, „Blutsfreundschaft“, „Die toten Körper der Lebenden“ und „Diamantenfieber“. 2011 wurde er, der stets nach dem „Humus der Anarchie“ (Kern) grub, in Hof mit dem Filmpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet; seinen nunmehr letzten Film „Der letzte Sommer der Reichen“ stellte er im Februar im Rahmen der „Berlinale“ vor. 66jährig ist Peter Kern in einem Wiener Krankenhaus gestorben.

Dieser Text erschien zuerst in: Filmdienst

Foto: © Filmgalerie 451 (Szene aus "King Kongs Tränen")