Ein altes Berliner Mietshaus, eine überrumpelte Gruppe von Durchschnittsmenschen, eine unnachgiebige Bedrohung: „Rammbock“, das robuste Langfilmdebüt des Filmemacher-Duos Marvin Kren (Regie) und Benjamin Hessler (Buch), ist nicht nur der erste deutsche Zombiefilm, der es über Genre-Liebhaberkreise hinaus schaffen könnte, sondern vor allem ein vergnüglicher Rückfall ins 90er-Jahre-Genre des „Action-Kammerspiels“ (© Drehli Robnik und Isabella Reicher). Als Berlin von virusinfizierten „Wütenden“ überrollt wird, verbarrikadieren sich die Zufallsbekanntschaften Michael (Michael Fuith) und Harper (Theo Trebs) in einer Wohnung. Mit den anderen Überlebenden im Haus interagiert man zuerst nur über das hofseitige Fenster. Aber als die Türen die Meute nicht mehr draußen halten können, arbeiten sich Michael und der Installateur-Lehrling Harper (Theo Trebs) durch die Geschosse des Mietshauses – notfalls auch mit dem filmtitelgebenden Stoßwerkzeug. Aber wie dreht man so ein Rammbock-Manöver? Und wer schminkt die Zombies? Regisseur Marvin Kren, 1980 in Wien geboren, gab der Filmgazette telefonisch Auskunft über die „nuts and bolts“ seiner Zombiebelagerung.
Joachim Schätz: „Rammbock“ wurde als Teil einer Nachwuchsinitiative der Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“ des ZDF produziert. Diese Initiative sieht 200.000 Euro pro Projekt vor. Waren das die einzigen Mittel, oder habt ihr noch Förderungen bekommen?
Marvin Kren: Nein, es war die Voraussetzung, dass wir damit auskommen mussten. Das Kleine Fernsehspiel wollte Stoffe entwickeln, die schon innerhalb eines Jahres zur Ausstrahlung kommen können. Durch das Fördersystem dauert es sonst oft ziemlich lang, bis Filme realisiert werden. Manche Projekte treffen in der Konzeptionsphase total einen Zeitgeist. Aber bis sie dann ins Kino oder Fernsehen kommen, gibt es schon drei andere Filme zum gleichen Thema.
Welche Abstriche muss man machen, um mit so einem Budget einen Film zu drehen, der diese Action- und Horrorelemente hat?
Naja, es gibt halt kaum Geld für irgendwen. Wir hatten 13 Drehtage. So etwas kann man auch nur in Berlin machen. In Österreich würde das gar nicht funktionieren mit den starken Filmgewerkschaften. Wichtig war dieses Bewusstsein: Wir machen einen Zombiefilm, und man nimmt uns ernst. Das hat das gesamte Team stark motiviert.
Wie habt ihr ein Mietshaus gefunden, das den Vorgaben des Drehbuchs entsprach?
Eigentlich wollten wir in Hamburg drehen, weil ich in Hamburg in so einer ähnlichen Hinterhof-Situation lebe. Das ist hier noch spannender, weil die gegenüberliegende Seite meist näher ist und man die anderen viel genauer sieht. Aber in Hamburg gab es keinen Leerstand. Die Produktionsfirma war in Berlin, und die haben dann in Kreuzberg dieses Haus gefunden. Ich glaube, die Eigentümer haben uns auch ein bisschen benützt, um die restlichen verbliebenen Mieter zu verjagen.
Das Haus war noch bewohnt?
Im Haus lebten noch zwei Mieter, wobei einer über unsere Anwesenheit richtig glücklich war. Im Gegensatz zum Bestreben der Immobilienfirma war er sehr angetan, dass er Gesellschaft hatte. Es war auch sehr unheimlich, glaub ich, alleine in dem Haus zu leben.
Und wie viel wurde dann vor Ort gedreht?
Alles.
Auch die Szene, in der eine Wand mit einem Rammbock durchstoßen wird?
Die Rammbock-Szene haben wir ganz gut erschummelt. Wir wollten zuerst echt eine Mauer einreißen, das haben wir aber wegen der Statik nicht machen können. Deshalb haben wir eine künstliche Mauer aufgestellt, wo normalerweise eine Flügeltür zu einem anderen großen Zimmer war, und den Rammbock dort durch laufen lassen.
Was war am schwierigsten?
Die Actionsequenzen waren natürlich anstrengend, aber was am meisten Konzentration und Nerven verlangt, sind die Gore-Effekte. Die kosten einfach extrem viel Zeit. Zuerst müssen Schläuche gesetzt werden, wo das Blut rausspritzt, und da stehen dann viele Leute außerhalb des Bildausschnittes und bedienen Spritzen und Pumpen. Drüber muss man eine künstliche Haut auflegen, wo die Schlauchausgänge Platz finden. Die Tricktechniker waren sehr schnell und einfallsreich, aber man kann so einen Effekt maximal zweimal machen: Das Kostüm ist dann im Eimer, und die Kunsthaut muss wieder trocknen. Dafür muss man einen halben Tag einrechnen.
Uns war bereits in der Kalkulationsphase klar, dass wir keinen Film machen können, wo Köpfe abgehackt werden. Wir wollten aber sowieso nie einen klassischen Gore-Film machen. Gore kommt für mich, obwohl die Italiener das dann prominent gemacht haben, aus einer amerikanischen Tradition: vom Verwenden von Waffen, und aus einem Selbstverständnis, sein Leben, sein Haus und seinen Besitz konsequent mit einer Waffe zu verteidigen. In einem europäischen Setting funktioniert das nicht richtig.
Wer hat das Zombie-Make-Up gemacht? Wo findet man die nötige Expertise?
Das war Stefan von Essen. Der ist spezialisiert auf Silikon-Effekte. Normalerweise macht er Veronica Ferres einen schwangeren Bauch und Wasserleichen und so. Der war total euphorisiert von der Chance, im Horror zu arbeiten. Wir haben uns im Vorfeld zusammengesetzt, ganz viele Horrorfilme studiert, Hautkrankheiten-Bücher, Arten von Blindheit, und haben uns ein eigenes, möglichst stimmiges Krankheitsbild für unsere „Wütenden“ kreiiert.
Und was hat deine Mutter, die österreichische Film- und Fernsehschauspielerin Brigitte Kren, gesagt, als du ihr eine Zombierolle angetragen hast?
Naja, ich hab mit meiner Mutter eine Abmachung, dass sie in jedem Film von mir mitspielen muss. Es gab schon in der Konzeptionsphase diese Idee mit der Zombienachbarin. Und für mich war sofort klar, dass sie das perfekt spielen kann. Sie hat – als Schauspielerin – unglaubliche Ausbrüche drauf.