„Krasnoschtschelje ist eine andere Welt, ein ganz anderes Lebensgefühl“, sagt Alexandra, die Ich-Erzählerin des Films, aus dem Off. Weit entfernt von der Zivilisation, auf der zu Russland gehörenden Kola-Halbinsel im nordöstlichsten Teil Europas, liegt das 500-Seelen-Dorf der Samen inmitten der Tundra. Nach der durch die politischen Veränderungen der letzten Jahre forcierten Landflucht ist es wohl eine der letzten Siedlungen, in denen sich die besondere Lebensart, Kultur und Sprache der Ureinwohner erhalten hat. Als Jäger und Hirten leben die Menschen hier noch immer überwiegend von der Rentierzucht, auch wenn sie für ihre Arbeit mittlerweile motorisierte Schlitten einsetzen, um die Herden der Wandertiere auf ihren langen Wegen zu begleiten.
In stimmungsvollen Bildern vermittelt René Harder in seinem Dokumentarfilm „Die Hüter der Tundra“ einen faszinierenden Einblick in eine sehr alte, traditionelle Lebensweise, deren Existenz allerdings vom Verschwinden bedroht ist. Denn internationale Rohstoffkonzerne wollen die Weidegründe der Tundra ausbeuten, was wiederum der Rentierzucht die Grundlage entziehen würde. Eine, die sich dagegen wehrt, ist die eingangs erwähnte Aktivistin Alexandra, genannt „Sascha“, die den Zuschauer mit der Kultur der Samen vertraut macht und gewissermaßen auch in eigener Sache durch den Film führt. Mit großer Nähe und verschworener Unterstützung begleitet Harder die junge Mutter ins samische Parlament sowie auf ihrer länderübergreifenden Suche nach Unterstützern.
Dabei lässt der Filmemacher, der für sein schwieriges Projekt viel Zeit bei den Samen verbracht hat, keinen Zweifel daran, dass er mit seinem Film diesen Kampf unterstützt. Doch trotz teils gestellt oder inszeniert wirkender Dialoge und Anflügen einer romantisch-folkloristischen Idealisierung der fremden Kultur, findet der Film als „Instrument der Aufklärung“ doch immer wieder genug Abstand, um auch die nicht verschwiegenen Härten einer solchen Lebensweise sachlich zu beschreiben. Schließlich formuliert „Die Hüter der Tundra“ auch ein Plädoyer für Heimatverbundenheit: „Wo man geboren wurde, wird man auch gebraucht“, sagt einer der Samen, der aus der Stadt aufs Land zurückgekehrt ist, weil er sich hier freier fühlt. So gibt es am Ende des Films und nach ersten politischen Erfolgen gleich mehrere kleine Hoffnungsschimmer.