Dreamworks entführt erneut in eine fremde Welt. Nun ja, ganz fremd nicht mehr, insofern sie vielen Kinogängern noch aus dem Vorgänger bekannt sein wird. Dort hatte sich Hicks, Sohn von Haudrauf, dem Dorfhäuptling Berks, für einen angemesseneren Umgang mit Drachen eingesetzt: Nicht nur als Gefahr, sondern vor allem als Freund und Helfer der Wikinger sollen sie angesehen und behandelt werden. Damit hat Hicks nicht nur seinem Dorf zu neuer Blüte verholfen, sondern auch seinen eigenen Helden- bzw. Leidensweg angetreten, an dessen vorläufigem Ende er einen Fuß verloren hat. Grazil bleibt er auf seinem fliegenden Gefährten Ohnezahn, welcher aufgrund einer ähnlichen Verletzung zum Manövrieren in der Luft auf seinen Reiter angewiesen ist – die beiden Figuren sind ineinander verzahnt. Den Schauwert dieser Symbolik demonstrieren bereits die ersten Minuten der Fortsetzung, wenn das Drachenreiten mit Kamera-Flügen auf dem Stand des technisch Machbaren inszeniert wird. Solche Szenen, in denen Drachen etwa Mittel zur Erfüllung kühnster Wingsuit-BASE-Jumper-Träume werden, ziehen sich durch den ganzen Film und bilden seinen sensationellen Kern; durch die 3D-Technik werden sie spürbar entfaltet.
Es ist der jugendliche, mitunter naive Tatendrang des Protagonisten, zusammen mit seinem Glauben an die Möglichkeit der Vermittlung selbst zerstrittenster Parteien, der die Filmhandlung vorantreibt. Dieser Drang macht, dass Hicks sich der fremden Welt öffnet, sie erforscht, sie erfliegt, und ihre Gefilde kartiert (was alles liebevoll animiert ist), in denen er bald Konflikte und Konfliktparteien ausmacht: Zunächst geht die recht vage Rede von einer sehr bedrohlichen Armee versklavter Drachen; und dann ist da eine Art Drachenflüsterin, die in einem Idyll gewaltfreier, verständiger Kommunikation in einem Eispalast (ebenso liebevoll animiert) eine weitere Armee gebildet hat (welche natürlich so nicht benannt wird).
Hicks glaubt an die Vermittlung all dieser Parteien, entgegen Mahnungen etwa seines Vaters Haudrauf, dass Menschen sich nicht ändern könnten. Das Urmännliche seines Vaters arrangiert sich so tatsächlich mit dem urweiblichen Flüstertum; mit der perversen, exzessiven Männlichkeit des Antagonisten, der als ein „böser Mensch“ die „guten Drachen“ unter seine Befehlsgewalt gebracht hat, lässt sich aber nicht mehr reden, worin sich das resignierende Urteil Haudraufs auf problematische Weise bestätigt. Dieser Bösewicht namens Drago, so Haudrauf an anderer Stelle, sei „a stranger from a strange land“, ein „Fremder aus einem fremden Land“. Ob den Autoren die biblische Gewalt bewusst war, die in diesen Worten mitschwingt? Als der junge Moses ins Exil nach Midian gegangen ist und zuwartet, bis er den großen Sklavenaufstand in Ägypten anführen kann, nennt er sich selbst einen „Fremdling“ in einem „fremden Lande“ (so die Übersetzung Luthers; die deutsche Einheitsübersetzung setzt an der Stelle „Gast“, welche Differenz noch einmal verdeutlicht, was hier auf dem Spiel steht). Im fremden Land lauert in beiden Fällen die Gefahr für die etablierte Herrschaftsordnung, wenngleich es durch die Form der Äußerungen ganz unterschiedliche Qualitäten erhält. Dort der Prophet, der sich in der Fremde selbst benennt; hier der Häuptling, der mit der Kraft derselben Benennung einen ungeladenen Fremdling in die Fremde zurückweist. Mag diese Versuchsanordnung auch skurril anmuten: Die Verschiebung, die zwischen dem Zitat von Moses und jenem Haudraufs stattfindet, ist symptomatisch; in ihr äußert sich die Ohnmacht gegenüber einer Invasion der Barbaren, auf die nur mehr mit den Mitteln des Kriegs reagiert werden kann – eine Einstellung, die im Produktionsland nach wie vor auf Resonanz stoßen dürfte.
Der jugendliche Idealismus wird also frustriert und es kommt zu einem plumpen Antagonismus, der sich an der Frage „Wie sind Drachen zu zähmen?“ scheidet: Während die eine Seite auf das Band der Freundschaft zählt, setzt die andere auf die blendende Stärke des Willens. Dieser Konflikt wird notwendig in Schlachten ausgetragen, für die man sich großzügig beim Herrn der Ringe und anderen Spektakeln bedient hat (und weshalb Kinder diesen Film auch eher nur in erwachsener Begleitung sehen sollten). Das Schlachtengetümmel ist ebenso mitreißend animiert; für den dramatischen Heldentod aber verhallt es augenblicklich und wiederum noch effektvoller. Kann die denunzierte Willensstärke tatsächlich so schlimm sein, wenn sie uns den hysterischen Heroismus erspart, der im Reich von Freundschaft und Eintracht waltet?
Bis zu einem gewissen Punkt lässt sich in „Drachenzähmen leicht gemacht 2“ mit Spannung verfolgen, wie und ob das anfangs entworfene Geflecht wohl aufgelöst werden wird. Irgendwann beginnen sich Zitate als Klischees zu entblößen sowie das Potential der zunächst charmant präsentierten Nebenfiguren zu erschöpfen (wie jenes von Astrid, der Liebschaft Hicks’, die zuletzt doch nur aufgrund ihrer Kussfunktion in den Film integriert worden zu sein scheint), während die Auseinandersetzung der Hauptfiguren in ihrer blendend schönen Animation über die eigene Fragwürdigkeit hinwegtäuscht.