'Hemel' heißt auf Niederländisch 'Himmel'. In Sacha Polaks gleichnamigem Debütfilm gehört der Name einer provozierenden jungen Frau, die mit Lust, Spott und Ironie ihren sexuellen Hunger stillt. Sie wechselt die Männer in einem fort, benutzt sie freizügig und ohne Hemmungen, lässt sie zurück oder schmeißt sie aus Bett und Wohnung. „Ich mag kein Nachspiel“, sagt sie etwa zu dem Algerier, den sie zuvor in einer Disco offensiv angemacht und abgeschleppt hat und der ihr romantische Komplimente macht: „Deine Augen sind wie ein Engel im Himmel.“ Doch Hemel (Hannah Hoekstra) geriert sich als „geiles Mädchen“, das im Stehen pinkelt, Konventionen ignoriert und aus purer Provokationslust widerspricht. Ziellos und ohne Halt driftet sie durch ein Leben, das nur durch wenige Streiflichter erhellt wird. „Ich ähnele niemand“, sagt Hemel, die sich selbst kaum kennt und die mit ihrem nüchternen Selbstzerstörungstrieb einen Mangel oder eine Leere zu kompensieren scheint.
Tatsächlich ist Hemel ohne Mutter aufgewachsen. Mit ihrem ebenso attraktiven wie libertären Vater Gijs (Hans Dagelet), einem Kurator moderner Kunst, pflegt sie einen freundschaftlich ungezwungenen, unterschwellig inzestuösen Umgang. „Du machst mich zum Menschen“, lautet das Liebesbekenntnis, das der Frauenheld jenem Ring hat eingravieren lassen, den er seiner neuen, um einige Jahre jüngeren Freundin Sophie (Rifka Lodeizen) schenkt, und zwar just an Hemels Geburtstag, an dem diese wiederum zynisch ihre Eifersucht verbalisiert. Wie ein negatives Spiegelbild dazu erscheint Hemels Konzertbesuch mit einem älteren Mann, der ihr Vater sein könnte und der sie offensichtlich verlässt. Während Henri Duparcs „Chanson Triste“ erklingt, verlieren sich Zeit und Raum in Gesten und Blicken des Abschieds.
Sacha Polaks „Hemel“ ist ein Film in Fragmenten, die als klar voneinander abgesetzte Kapitel schöne, poetische Überschriften tragen. Diese lauten. „Genitale Phase“, „Mohammed“, „Vater und Tochter“, „Wo Gott wohnt“, „Du machst mich zum Menschen“, „Verliebt“, „Sevilliana“ und „Normaler Tee“. In diesen assoziationsreichen Titeln liegt das Versprechen einer Geschichte, die in den statischen Ausschnitten mitschwingt, ohne erzählt zu werden. Das Ganze ist gewissermaßen als Vermutung und Phantasie in den Teilen verborgen. In ihnen evoziert Sacha Polak einen Diskurs über die Facetten von Liebe und Sexualität, der, konfrontiert mit den Wunden der Protagonistin, zu einem konzentrierten Stationen-Drama über die Frage nach den Möglichkeiten weiblicher Selbstfindung wird. Das Dramatische ist hier allerdings keine Konsequenz der Handlung oder Form des Agierens; vielmehr steckt es in Stimmungen von Räumen, atmosphärischen Arrangements und melancholischen Klängen. Ich will in dir wohnen“, sagt Hemel, ausnahmsweise glücklich, einmal zu einem Geliebten. Am Schluss fällt Regen, Hemel weint, ihre Nase blutet und mütterliche Arme umschließen ihren schlanken, zerbrechlichen Körper.