Punk war von Anfang an eine Jugendkultur zwischen Rebellion und Pose, Authentizität und Selbstdarstellung, Subkultur und kulturindustrieller Vereinnahmung. Drei Akkorde auf der E-Gitarre, ein Bass, ein Schlagzeug und ein Sänger – mehr war nicht notwendig, um mitzumachen, und im Prinzip war jede und jeder dazu eingeladen. Aus dem egalitären Gestus des frühen 70er-Jahre-Punk entwickelte sich, inspiriert von politisch links stehenden und betont unkommerziellen Bands wie 'Crass' aus Großbritannien eine Subkultur in der Subkultur, die gerade den Aspekt des 'DIY', des 'Do It Yourself', für sich reklamierte. Selbstorganisation und Selbstermächtigung, Misstrauen gegen jegliche Autorität und Kommerzialisierung sind bis heute die zentralen Konzepte dieser Gegenkultur.
In ihrem Dokumentarfilm 'Noise and Resistance' porträtieren die beiden Filmemacherinnen Francesca Araiza Andrade und Julia Ostertag die europäische DIY-Punkszene von ihren Anfängen im England der 70er Jahre bis zu ihren Ausprägungen im heutigen Europa. Sie haben dafür Bands, Künstler und Aktivisten aus Spanien und England, Deutschland und Russland, Norwegen und Schweden interviewt, waren mit der Kamera bei Konzerten und im Backstage-Bereich dabei, haben Hausbesetzer in Katalonien und alternative Sozialprojekte in Deutschland besucht. Zusammen mit den für Musikfans höchst sehenswerten historischen Konzertaufnahmen entstand ein buntes Potpourri, das manchmal etwas redundant wirkt, oft aber, etwa in den Passagen, in denen Punk-Aktivisten aus Russland zu Wort kommen, die sich täglich mit dem Terror einheimischer Neonazibanden auseinandersetzen müssen, höchst erhellend ist.
Dabei wenden Andrade und Ostertag das 'Do It Yourself'-Konzept selbst konsequent an: Neben der gemeinsamen Regie waren die beiden Filmemacherinnen verantwortlich für Kameraarbeit und Drehbuch, Produktion und Schnitt. Sie sind der Szene, die sie porträtieren, mehr als wohlwollend eingestellt. Kritische Fragen werden nicht gestellt, es gibt keine erklärende Voice-over. Die durchaus existierenden Widersprüche innerhalb der Subkultur anzusprechen, bleibt einigen, oft feministisch orientierten Künstlerinnen vorbehalten.
Dennoch entsteht gerade durch die unterschiedlichen Aussagen der Interviewten, die von hoffnungslos naiven Plattitüden bis zu reflektierten Analysen reichen, ein Überblick, der gerade in seiner Widersprüchlichkeit die Vielfältigkeit der Szene verdeutlicht. Von der technischen Gestaltung und der Montage des Materials her ist der Dokumentarfilm allerdings arg konventionell, fast schon konservativ ausgefallen. Das Rohe und Ungeschliffene der Musik, ihre Wut und Unmittelbarkeit überträgt sich kaum in die Bildsprache. Das ist schade, dürfte Fans und musikalische Sympathisanten, an die sich der Film explizit richtet, jedoch kaum stören. Alles in allem ist Francesca Araiza Andrade und Julia Ostertag ein engagierter Film gelungen, der zeigt, dass Punk als Subkultur auch heute noch ein identifikatorisches Potential für junge Menschen bietet.
Dieser Text ist zuerst erschienen auf: www.br.de