Ein Film, der keinen Plan hat. Im Großen und Ganzen geht es um die Liebe zwischen den Geschwistern Georg und Margarete Trakl, die heftig, aber verboten ist, damals vor hundert Jahren erst recht. Sie endet, wie wir per Untertitel informiert werden, mit den Selbstmorden des Paares im Ersten Weltkrieg. Andererseits ignoriert das Plot den etablierten biografischen Rahmen und tut so, als ob es halt um einen Kostümfilm geht, der sich verbotenem Sex der Zeit um 1900 rum annimmt. Aber auch der Degetoschmonzes haut nicht hin, weil Tatortregisseur Christoph Stark sich intensiv den Fickszenen widmet, wie sie erst hundert Jahre später filmtauglich werden sollten. Anal ist okay, aber vaginal scheiße. Weil zur Verhütung nichts da ist, und dann kommt das Embryo. Tja, es kommt. Wir haben die Bescherung.
Für literarisch interessierte Bildungsbürger ist das nichts. Und für Kostümfreunde ist das zu unkostümiert, wenn Paarung zum Porno wird. Und für Sexhungrige ist das schlicht zu wenig – und zu viel an abgeilendem Bildungspathos (siehe Zweittitel des Films). Hinwiederum wirken die traklaffinen Dialoge hoffnungslos deplaziert, wenn daneben und durchaus in der Hauptsache banalstes Zeug geplappert wird – von den Protagonisten, die gute Miene zum bösen Spiel machen müssen, Stimmts, Grete? Lars Eidinger, der den Literaten Trakl spielt, muss sozusagen jeden Satz zu seiner Schwester mit „Grete“ beginnen und/oder enden. Grete, ist doch so, Grete. So etwa, Grete. Grete, ich hab von den Dialogen einen Schaden bekommen, Grete, und ich wollte den Film gar nicht verreißen, Grete, jedenfalls nicht ganz.
Denn es gibt etwas, das alles, was auseinanderstrebt, doch wieder zusammenhält. Und das ist die ausgeklügelte und fein differenzierte Lichtgestaltung. Alle Achtung. Da sieht man denn doch, dass die öffentlichrechtlichen Gelder professionell angelegt sind. Kann man denn das Wort Porno in den Mund nehmen, wenn die ansehnlichen nackten Körper im Licht altmeisterlicher Gemälde präsentiert werden, schwer ästhetisch in Licht und Schatten getaucht? Bravo, soweit. Auch die Kamera kann zeigen, was sie kann. Ein Gesicht sieht sich im dreigeteilten Spiegel als Triptychon. Einfach so. Das ist Kunst!
Es ist so, als ob der renommierte Tatortregisseur das Team hat machen lassen, was es möchte. Schief gegangen ist das Laissez-faire allerdings bei der Unmenge an Komparsen, die das Bild zum Bersten füllen, und kein Schwein weiß, was es tun soll – außer Schulter an Schulter gepresst irgendwohin zu gucken, ein jeder, wie es ihm beliebt. Sach doch, Grete, so wars doch, Grete!
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 06/2012