Der Vorspann von Cédric Klapischs neuem Film „Mein Stück vom Kuchen“ ('Ma part du gâteau') ist in seiner Dynamik und visuellen Dichte ein kleines kinematographisches Meisterwerk. Als virtuose Exposition, die im Zeitraffer unterschiedliche Lebens- und Arbeitswelten kontrastiert und dabei ein widersprüchliches Bild der modernen Gesellschaft zeichnet, entfaltet die Titelsequenz zugleich die wesentlichen Motive des folgenden Films: Der subjektive Blick auf den vom Titel evozierten Verteilungskampf, verbunden mit dem Anspruch auf gerechte Teilhabe, spiegelt sich in den Gegensätzen von traditioneller Arbeitswelt und neuer Ökonomie, dem Leben am Existenzminimum und abgehobenem Luxus. Dass es dazwischen einen gewichtigen Zusammenhang gibt, ist eine These von Klapischs Film. Seine andere, kämpferischere liefert gleich eingangs mit den kleinen Triumphen von Solidarität und sozialem Zusammenhalt plakative Gegenbilder.
Anklänge an Ken Loachs Filme sind dabei unüberhörbar, etwa wenn der Widerspruchsgeist menschliche Würde einfordert. Klapischs leichtere Variante arbeitet im Tonfall einer sozialromantischen Komödie allerdings stärker mit Zuspitzungen und Überzeichnungen. Auf der Ebene des Dialogs wirkt das mitunter allzu forciert und flach, wenn es heißt, der Kuchen solle in möglichst viele Teile geschnitten werden oder die Fütterung der kleinen Enten habe Vorrang. Visuell wiederum ist der Film so ausgefeilt und elaboriert gestaltet, dass seine eindrucksvollen Hochglanzbilder zwar schön anzuschauen sind, aber aus der Wirklichkeit mitunter nur noch Klischees destillieren.
Das gilt vor allem für die Lebenswelt des 35-jährigen Börsenspekulanten Steve (Gilles Lellouche), eines skrupellosen Geschäftemachers, dessen Raubtierkapitalismus komplett abgekoppelt ist von seiner Verantwortung für reale Probleme und der ein abgehobenes, verschwenderisches Luxusleben führt. „Die Realität ist mir scheißegal“, sagt der zynische Machtmensch und Finanzhai, der als menschlicher Kotzbrocken alle möglichen schlechten Eigenschaften in sich vereint. Steve ist gewissenlos, egoistisch und undankbar; er missbraucht Vertrauen und hat in der Liebe kein Glück, weil es ihm an Empathie mangelt und er nicht kapiert, dass man Gefühle nicht kaufen kann.
An dieser Stelle kommt in der zunächst parallel erzählten Handlung das ethische und moralische Gewicht der zweiten Hauptfigur ins Spiel. Die 42-jährige France (Karin Viard), eine geschiedene Frau und Mutter dreier Töchter, die eben ihren langjährigen Arbeitsplatz in einer Dünkirchener Fabrik verloren hat, findet ausgerechnet im Pariser Haushalt des millionenschweren Maklers und verkrachten Junggesellen einen Job. Bald soll die lebenskluge, einfühlsame France auch noch Ersatzmutter spielen und Steves unehelichen kleinen Sohn Alban betreuen. Mit ihrem offenen Ohr für die Gefühlsnöte ihres gehetzten Chefs und als „Frauenversteherin“ wird sie darüber hinaus zur Ratgeberin in Liebesdingen und – über die sozialen Gegensätze hinweg – auch noch zu seiner Geliebten für eine Nacht. Die Ernüchterung folgt kurz darauf, als France erfährt, dass Steve für die Abwicklung ihrer Firma mitverantwortlich war und sie sich daraufhin von aufgewühlten Gefühlen zur Rache hinreißen lässt.
Cédric Klapisch konstruiert aus dieser konfrontativen Zuspitzung ein Finale, das den moralischen Sieg von Menschlichkeit und Solidarität feiert. Deren Wärme dringt sicht- und spürbar selbst noch in die lebensfeindlichen Kältezonen der Großfinanz.