Der Dokumentarfilm kommt grade recht zum Gipfel in Heiligendamm. Die neoliberale Globalisierung feiert sich, während immer mehr gesellschaftliche Bereiche von der privaten Gewinnmaximierung erfasst werden. – Solch einen Satz zu formulieren, ist jedoch Sache des Films nicht. Das ist seine Stärke. Er kommentiert nicht, er inszeniert nicht, er stellt nicht nach. Wir sind fern von TV-Dokumentation und Pic-Picture, aber wir sind sehr nah bei vier Privatisierungsopfern aus vier Kontinenten. Sie kommen zu Wort und erzählen von ihrem Kampf und sogar von einem kleinen oder großen Sieg. Wieder etwas Besonderes: Was im Betroffenenleid verbleiben könnte, wird zum Aufbegehren und zum Widerstand. Und zur Frage an uns: Hallo, was tun wir eigentlich? Fackeln wir wieder ein Politikerauto ab? – Florian Opitz, Jahrgang 1973, versierter Dokumentarfilmer („Goliaths Albtraum – Globalisierungskritiker seit Genua“, 2002), hat den „Großen Ausverkauf“ genial konstruiert.
Vier pauperisierte Menschen aus vier Kontinenten erzählen, als ob sie untereinander sprächen. Ein Vertreter vom Internationalen Währungsfonds (oder wars die Weltbank?) schwärmt vom Ziel, Armut auszurotten, aber erstmal müssten die armen Länder Darlehen aufnehmen und Zinsen zahlen. Widerspruch wird von Joseph E. Stiglitz eingelegt, dem Wirtschafts-Prof, der sich vom Saulus zum Paulus wandelte (Buch „Die Schatten der Globalisierung“) und der dem IWF wie der Weltbank vorwirft, ihrem Auftrag entgegen nicht den armen Ländern, sondern dem reichen US-amerikanischen Finanzsektor zu helfen.
Nehmen wir einen von den vier Privatisierungsgeschädigten. Von unten gesehen: Oscar Olivera, Gewerkschafter, kämpfte in Cochabamba, Bolivien, gegen den Käufer der Wasserversorgung der Großstadt, den milliardenschweren US-Konzern Bechtel. Die Weltbank hatte auf die Privatisierung gedrängt. Der Konzern strich 16 % Rendite ein. Der Bevölkerung wurde ein Drittel des Monatseinkommens abgepresst – für Wasser. Die Entnahme aus öffentlichen Gewässern wurde verboten. Der Gebrauch von Regenwasser untersagt. Militär besetzte die Stadt. Kriegsrecht wurde verhängt, und – der Widerstand hatte Erfolg. Die Privatisierung wurde rückgängig gemacht.
Der Film macht einen heißen Kopf, und er baut auf. Zum Beispiel, um den Mehdorn was aufs Maul zu geben, wenn er wieder wahnhaft von der Effizienz der Privatisierung schwafelt. In England zahlt der Staat inzwischen doppelt so viel für seine Bahn wie zuvor. Den Profit hatten die Marktfundis, den Schaden haben die Ausgegrenzten, die Entsolidarisierten.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 05/2007