Man trägt wieder Seitenscheitel. Als Mädchen in Deutschland. Als Mädchen am Sonntag. Man liegt in der Badewanne, im Bett, vor dem Kamin, im Wald und auf der Heide, man sitzt in der Schneekutsche und im Auto, man hüpft den gefrorenen Meeresstrand auf und ab, und all das apart und allein. Allein und ein wenig posierend, denn man ist Schauspielerin zwischen zwei Engagements und darf nicht aus der Übung kommen.
Man ist zu viert und doch für sich und nacheinander im: Sommer, Winter, Frühling, Herbst und an Orten, wo sonst höchstens Urlaub macht, wer keine Schauspielerin zwischen zwei Engagements ist. Man ist allein in diesem Urlaub, in schöner Landschaft, allein mit Rolf Peter Kahl, dem Regisseur und Dokumentaristen dessen, was doch ein bisschen inszeniert wirkt.
Der nur die eine Frage hat, ohne dass wir ihn sie stellen hören: Wie geht’s dem 'Mädchen am Sonntag“? Er stellt sie wahrscheinlich in Varianten und die Mädchen variieren ihre Antwort, sind natürlich und ganz sie selbst, was heißt: natürlich interessant und ganz begabt darin, vor laufender Kamera unverstellt zu wirken. Ja, es sei schon schwer, die Zeit zu überbrücken zwischen den Engagements und dabei immer älter zu werden. Denn mit Dreißig noch als Zwanzigjährige besetzt zu werden, sei schon möglich, aber schwierig. Mit den Männern sei das ähnlich, die könnten ja – wie die Theaterbühne, wie das Kino? – so alt werden, wie sie wollen und holen sich immer nur die Jüngsten. „Das macht schon Angst“ sagt mit dem Ansatz eines Seufzers Katharina Schüttler, die Skandalnudel aus dem Film „Sophiiiie!“ Dem Film, der doch so 'mutig' war und ihrer Karriere vielleicht gerade deshalb 'am meisten geschadet' hat. Dabei sei doch „der Regisseur von ‚Lolita’“ bei der Probevorführung von „Sophiiiie!“ so unheimlich nervös auf seinem Sessel rumgerutscht. Vielleicht, weil der den Film genial fand. Man weiß das ja nicht. Und vielleicht kennt sich so einer doch wirklich aus?
Schauspieler müssen von Filmgeschichte keine große Ahnung haben, sie müssen nur schauspielern können. Aber wenn eine Frau aus dem Metier „Kino“ in einem Dokumentarfilm eines Mannes aus dem Metier „Kino“ unweggeschnitten behaupten darf, Stanley Kubrick habe drei Jahre nach seinem Tod bei einer irdischen Stippvisite nichts Besseres vorgehabt, als einer Probeaufführung von Michael Hofmans „Sophiiiie!“ beizuwohnen, dann kratzt das an den Nerven. Und wenn dann allen Ernstes Adrian Lyne als der Regisseur von „Lolita“ nicht nur gehandelt, sondern auch vergöttert wird, dann laufen bestimmte Kredite aus. Weil dann klar ist, worum es Diva Schüttler geht: Den holden Fuß in die goldene Tür Hollywood kriegen und kokettieren mit Oscar, egal, ob er eigentlich Adrian, HP oder Stanley heißen möge.
Mutiger Outings solcher Art wegen fällt es schwerer, den anderen, sich z.T. weniger selbstinszenierenden Darstellerinnen volle Aufmerksamkeit zu schenken: der ein wenig geknickten, aber wackeren Laura Tonke („Ostkreuz“, „Baader“), der ungeduldigen, unverstellten und weitgehend unbekannten Inga Birkenfeld, der arrivierteren (Co-Regisseurin: „Jeans“) Nicolette Krebitz mit der Frisur und im Outfit der Jean Seberg von „Außer Atem“ (also Schwarzweißringelpulli und ganz kurze Haare).
So erschütternd die Schüttler auch mitunter ist: Allen vier Damen seien ihre Talente, Fähigkeiten und dramaturgischen Momente herzlich zugestanden und wärmstens eingeräumt. Ebenso diese „Doku“, die nichts anderes ist als eine Langzeitcastingveranstaltung (oder eben doch ein neuer Job! Das kommt ja in die Kinos!), sie sei ihnen gegönnt, auch wenn der Eindruck sich aufdrängt, ohne manche ihrer „authentischen“ Einblicke wären einem ein paar mehr Illusionen über deutsche Aktricen erhalten geblieben.
Womit schließlich aber beantwortet der 79-minütige, mit nachdenklicher Klaviermusik untermalte, junge und gleichzeitig frauliche Quattrolog die Frage des Regisseurs („Wie fühlt sich das Mädchen am Sonntag?“)? Damit: „Es ist sooo langweilig für Mädchen am Sonntag!“ Mag sein. Aber leider ist sonntägliche Langeweile nicht abendfüllend, auch nicht, wenn sie in erholsamen Urlaubsdekors spielt. War es deshalb künstlerische Absicht, dass die Mädchen am Ende verschwinden und aufhören, uns zu langweilen?
Doch warum bleibt der Sonntag? Oder was sollen am Filmende die meditativen Bilder eines leis rauschenden, mädchenlosen, schummrig-grünen Parks bedeuten, einem, zum Verwechseln ähnlich dem aus „Blow Up“? Dass hier irgendwo Leichen versteckt sind? Oder dass hier etwas viel zu aufgeblasen daher kommt?
Arbeitslosigkeit macht nicht besonders viel Spaß. Das hat sich hierzulande herumgesprochen. Aber: „Hey“, möchte man den rosigen jungen Dingern hinterher rufen, „ist doch alles nicht so schlimm, hast du schon vergessen, dass du Deutschland bist?“