Mit seiner in der Reihe Zürcher Filmstudien veröffentlichten Dissertation hat der in Zürich lehrende Filmwissenschaftler Simon Spiegel eine kleine Glanzleistung hingelegt: Speist sich die gegenwärtige Literatur zur Science Fiction vornehmlich aus filmhistorischen Monographien oder ausgiebigen Analysen einzelner Werke („Matrix“ – Jetzt noch entschlüsselter, „Alien“ – Eine systemtheoretische Aporie?) geht es ihm vornehmlich darum, eine Poetik zu entwerfen, die nicht doktrinär jene Argumente zur Hand reicht, was gute SciFi von schlechter zu scheiden habe, sich also als normative Legitimation begreift und dieser Satzung den Gegenstand unterordnet, sondern danach fragt, wie das, was gut erscheint, überhaupt funktioniert, sprich welche Regeln, Strukturen und Eigenarten der Qualitätsgenese eines Kunstwerks in die Hände spielen.
Zu diesem Zwecke gliedert sich die Arbeit in zwei Blöcke: einem strengen Definitionsversuch, was unter Science Fiction, samt ihres kulturhistorischen Hintergrundes, überhaupt zu verstehen sei (hierfür unterscheidet Spiegel zwischen Modus und Genre, um auch denjenigen Elementen nachspüren zu können, die nicht als genuine SciFi zu erfassen sind oder bereits vor dem Begriff existierten) folgt der eigentliche, sympathisches Understatement nebenbei, „Versuch“, ein eigenes Poetik-Konzept zu skizzieren, den „Search of Wonder“ anzutreten.
Dass dieses nicht der Weisheit letzter Schluss sein muss, merkt Spiegel mit Verweis auf die bloß literaturtheoretischen Instrumentarien selbst an, leistet aber bereits angesichts der mannigfaltigen Filmbeispiele eine beeindruckende Vorarbeit (von denen einige übrigens ausschnittweise auf der beigefügten DVD einen plastischeren Ausdruck der Szenenanalyse vermitteln dürfen).
An dieser Stelle sei noch mal nachdrücklich die Offenheit seines Zugriffs gegenüber den vermeintlich trivialen Vertretern des Genres betont: so lasse sich die Güte eines Klassikers u.U. erst durch einen Vergleich zu den weniger gelungenen Werken seiner Zunft wirklich eruieren. Folglich sollten sie auch einer ernsthaften Beschäftigung unterzogen werden, und eine solche Abkehr vom snobistischen Dünkel manch arrivierter Kollegen soll gefälligst Schule machen.
Welche Erkenntnisse gibt uns die Studie nun mit auf den Weg? Wie der Baukasten SciFi zusammen gesetzt ist. Wie die Differenzen der möglichen und der unmöglichen Welten gegenüber anderen phantastischen Erzählformen beschaffen sind; wie SciFi als „naturalisiertes oder technizistisches Wunderbares“ in Abhängigkeit zur realistischen Darstellungsweise steht; wie sich die Effekte des Fremden im Zusammenspiel mit der technologischen Entwicklung insbesonders im SciFi-Film in einer zukünftigen Perspektivierung niederschlägt, um nicht bereits beim Erscheinen einen Retrocharme zu besitzen, der der Naturalisierung entgegenläuft und so, und an ihm kommt auch Spiegel nicht vorbei, den Sense of Wonder unterläuft, jenen Begriff, in dem sich all diese Elemente zum ästhetischen Genuss, zur im Laufe der Zeit abnehmenden Erfahrung des Erhabenen, zur eigentlich zukunftsgerichteten Suche, im Kern aber sehnsüchtig erinnerten Vergangenheit verdichten.
Im Schlusswort schreibt Spiegel: „(…) Wahrscheinlich steht er (der SoW, Anm.d.Verf.) als Grunderfahrung am Beginn jeglicher Liebe zur Kunst – vielleicht sogar der Liebe überhaupt.“
Deswegen sei das Buch auch jedem Sci-Fi-Desinteressierten wärmstens empfohlen. Einen besseren Beziehungsratgeber hat es seit Jahren nicht mehr gegeben.
Simon Spiegel: „Die Konstitution des Wunderbaren. Zu einer Poetik des Science-Fiction-Films“
Schüren Verlag, Marburg 2007, 386 Seiten, 24,90 Euro