Bilder der Gefangenschaft und des Todes eröffnen den Film: In einem Taubenschlag aufgereiht, stehen dicht nebeneinander die symbolträchtigen Vögel. Zwei von ihnen bekämpfen sich, stoßen ihre Schnäbel in das Gefieder des anderen. Dann greift eine Hand in den Stall, schnappt sich scheinbar wahllos eine der Tauben, um ihr kurz darauf mit einem Messer den Kopf abzutrennen und sie über der offenen Herdflamme zu flambieren. Das alles geschieht, so drastisch es sein mag, eher beiläufig, während eine Frau und Mutter, sie heißt Lidia (Corina Moise), mit der Lehrerin ihres Sohnes telefoniert und dabei gestresst wirkt. Weil Lidia als Prostituierte arbeitet und dabei von der Lehrerin erkannt wurde, wird sie von dieser jetzt erpresst. Aber das versteht man nicht gleich in der unterschwellig aggressiv aufgeladenen Atmosphäre. Denn Alexandra Balteanu geht mit ihrem dokumentarisch anmutenden Film „Vânătoare“ mitten hinein in die Szene, hält sich nicht auf mit Hinführungen und Erklärungen, sondern beobachtet, nimmt teil und begleitet, gefilmt mit der Handkamera, ihre Protagonistin durch einen schwierigen Alltag.
Dieser wird bestimmt von Geldsorgen, dem täglichen Kampf gegen die Armut und dem hässlichen Gegeneinander der Mittellosen. Mit ihren Kolleginnen Denisa (Iulia Lumânare) und Vanessa (Iulia Ciochină) steht Lidia unter einer Brücke am verkehrsreichen Autobahnring von Bukarest, um sich für sehr wenig Geld zu verkaufen. Doch die Geschäfte der Ausgebeuteten und zugleich selbstbewussten Frauen gehen schlecht. Das Deprimierende ist für sie das Normale, Selbstverständliche, um den tristen Alltag zu bestehen. Inmitten von Nässe und Kälte, Dreck und permanentem Verkehrslärm harren sie aus für eine schwache Hoffnung und eine verblassende Ahnung von Glück. Ihre Gespräche, die man kaum versteht, handeln von Geldsorgen, häuslichen Konflikten und fernen Träumen, während die Zeit vergeht mit dem Warten auf ein Versprechen, das es nicht gibt. Bis sie von einer Polizeistreife aufgegriffen, drangsaliert und „abgezogen“ werden, was offensichtlich gängige Praxis ist.
Es passiert nicht viel in Alexandra Balteanus ebenso unspektakulärem wie trostlosem Film „Vânătoare“, dessen Titel „Jagd“ bedeutet. Die Handlung ist rudimentär, die Figuren und ihre sozialen Hintergründe sind nur mit dünnen Strichen gezeichnet und spannend wird es allenfalls in der zunehmend ruppigeren Auseinandersetzung mit den Polizisten. Stattdessen konzentriert sich die aus Rumänien stammende Regisseurin, die ihren preisgekörnten Film mit sehr wenig Geld im Rahmen ihres dffb-Studiums realisiert hat, auf authentische Bilder und eine stimmige Atmosphäre. Geradezu klaustrophobisch wirken die langen, lauten Szenen unter der Brücke. Von der Polizei halbnackt auf freiem Feld ausgesetzt, kehren die Frauen frierend, wie in einem ewigen Kreislauf gefangen, schließlich dorthin zurück. Dass ihr Retter ausgerechnet der Fahrer eines Eiswagens ist, mag zwar tröstlich gemeint sein, setzt die allgemeine Kälte aber dann doch etwas überdeutlich, gar unfreiwillig komisch ins Bild.