Die Differenz zwischen Sein und Schein grundiert diesen Film motivisch auf verschiedenen Ebenen. Das Bildmedium Film mit seiner vorgetäuschten Wirklichkeit ist selbst besonders dafür geeignet. Wenn die japanische TV-Reporterin Yoko (Atsuko Maeda) mit ihrem kleinen, ehrgeizigen Fimteam durch Usbekistan reist, um an markanten Schauplätzen einen touristischen Imagefilm zu drehen, wird sie immer wieder von der Diskrepanz zwischen der vorgefundenen und der dargestellten Realität eingeholt. Am Aydarsee hofft man vergeblich darauf, den mythischen Fisch Bramul filmen zu können; in Samarkand testet sie nur widerwillig ein schwer verdauliches Nationalgericht; und in einem Vergnügungspark lässt sie sich pflichtbewusst und unter großer Leidensbereitschaft von einer „Horror-Schaukel“ durch die Luft wirbeln. Stets macht Yoko dabei gute Miene zum bösen Spiel. Einmal kauf das Filmteam einen Ziegenbock, um ihn in einer weiten Landschaft in eine fragwürdige Freiheit zu entlassen.
Nichts will so richtig funktionieren, überall gibt es Hindernisse und der genervte Regisseur ist unzufrieden. Yoko glaubt gar, sie habe kein Glück. Dabei wird immer deutlicher, dass der Riss durch sie selbst geht. Ihre gutgelaunten Auftritte stehen in einem Kontrast zu ihrem introvertierten, zerbrechlichen Wesen. Noch schwerer wiegt ihr Fremdheitsgefühl, das sie auf ihren ausgedehnten Spaziergängen durch Basars und dunkle Gassen fortwährend begleitet und das sich zur Angst steigert. Umstellt wird ihr orientierungsloses Unterwegssein von fremden Blicken, vermeintlichen Gefahren und sehr dominanten Sprach-und Verständigungsproblemen, die Yoko letztlich einsam machen und sie auf sich selbst zurückwerfen. In der Konfrontation mit einer fremden Kultur und Mentalität erlebt sie eine tiefgreifende Verunsicherung. Yoko, die Textnachrichten an ihren Freund in Tokio schickt, hat in der Fremde Angst, sich zu öffnen. Einmal sagt ein Usbeke: „Wenn wir nicht miteinander reden, können wir einander nicht kennenlernen.“
Der japanische Regisseur Kiyoshi Kurosawa macht diese doppelte Fremdheitserfahrung seiner Protagonistin zum Ausdruck einer tiefen Identitätskrise. Einmal sagt Yoko zu einem Kollegen: „Ich glaube, ich entferne mich von dem, was ich wirklich machen will.“ Denn eigentlich träumt sie davon, Musical-Sängerin zu werden. In einer magischen Sequenz, die im labyrinthischen Navoi Theater von Taschkent spielt, erlebt sie diesbezüglich eine Vision, in der sie sich bei einem imaginierten Auftritt selbst dabei zusieht, wie sie eine japanische Version von Edith Piafs Chanson „Hymne à l’amour“ singt. Die Ahnung eines möglichen anderen Lebens steigt dabei in ihr auf. Doch das „Blau der Unendlichkeit“ mit seinem Versprechen auf eine ewige, alles überwindende Liebe, wovon Yoko auf ihrem Weg zu sich selbst inbrünstig singt, muss erst noch vor einem irdischen Feuer gerettet werden. Und auch hier scheint sich der Satz eines Usbeken zu bewahrheiten: „Das Glück belohnt uns alle gleich.“